Umkämpfte Ölschätze: Säbelrasseln in der Karibik

Droht ein Konflikt zwischen dem großen Venezuela und dem kleinen Guyana? Venezuelas Präsident Maduro ist innenpolitisch unter Druck und sucht sein Heil im Konflikt mit dem Nachbarland um Ölschätze im Meer.
von  dpa
Venezuelas Präsdident Nicolas Maduro ballt bei seiner Ankunft in Brasilia, der Hauptstadt Brasilien, die Faust. Droht etwa Krieg zwischen dem großen Venezuela und dem kleinen Guyana?
Venezuelas Präsdident Nicolas Maduro ballt bei seiner Ankunft in Brasilia, der Hauptstadt Brasilien, die Faust. Droht etwa Krieg zwischen dem großen Venezuela und dem kleinen Guyana? © dpa

Droht ein Konflikt zwischen dem großen Venezuela und dem kleinen Guyana? Venezuelas Präsident Maduro ist innenpolitisch unter Druck und sucht sein Heil im Konflikt mit dem Nachbarland um Ölschätze im Meer. Das Problem: Die Grenze ist bis heute nicht klar definiert.

Caracas/Georgetown - Der Ton ist ziemlich schroff. Von beiden Seiten. Der gegenseitige Austausch von Reis und Öl wurde gestoppt. Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff mahnt Venezuela unverhohlen: "Keine Abenteuer." Seit Wochen verschärft sich ein alter Grenzstreit zwischen der Ölmacht und dem kleinen Nachbarn Guyana. Es geht um die Oberhoheit über neue, lukrative Rohstoffreserven im Atlantik.

Alles fing am 27. Mai mit dem Dekret Nr. 1787 des venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro an, mit dem der Anspruch auf ein 160 000 Quadratkilometer großes Gebiet westlich des Flusses Essequibo bekräftigt wurde. Und damit auch auf die Zone im Meer, die westlich des in den Atlantik mündenden Flusses liegt. Venezuela droht auch damit, Pässe an die im Gebiet lebenden Bewohner auszugeben. Guyana hat 760 000 Einwohner und gehört mit Surinam und Französisch-Guayana zu den oft vergessenen kleinen Exoten im Norden Südamerikas.

Das Land war bis 1966 britische Kolonie - im Zuge der Neuordnung Europas und der Übersee-Kolonien durch den Wiener Kongress 1815 hatte das Vereinigte Königreich das Gebiet zugesprochen bekommen, den Niederländern blieb nur Surinam, bis heute ist es der einzige Staat in Südamerika, in dem niederländisch die Landessprache ist. Guyana wiederum ist hier der einzige Staat, der noch die Todesstrafe hat.

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Würde Präsident David Granger nachgeben, könnte Guyana 65 Prozent seines Territoriums verlieren. Es gab bereits mehrere Verträge und Schlichtungsversuche zur Grenzfrage, erst zwischen Venezuela und den Briten 1899, dann die Vereinbarung von Genf 1966 zwischen Venezuela, Großbritannien und dem unabhängig gewordenen Guyana. Eine Kommission sollte demnach eine Lösung finden für einen allseits akzeptierten Grenzverlauf. Doch man hat sich bis heute nicht gemeinsam geeinigt.

Guyanas Außenministerium argumentiert auf Anfrage, es gebe eine "ökonomische Aggression" Venezuelas, mit dem Ziel "Guyanas Willen zu brechen" und die Essequibo-Region aufzugeben. Unter Maduros sozialistischem Vorgänger Hugo Chavéz habe es hingegen eine klare Verbesserung der Beziehungen gegeben - aber der Konflikt war nur eingefroren. Das Ministerium argumentiert, bereits 1899 sei die Grenzfrage geklärt worden - bis Venezuela dies "für null und nichtig erklärt habe" - nur deshalb habe es überhaupt das Abkommen von Genf zur Suche nach einer neuen Lösung gegeben. Maduro pocht darauf, dass Guyana im strittigen Meeresgebiet vor der Küste keine Lizenzen zur Ölförderung verteilen darf. Doch genau das ist passiert.

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Der US-Konzern ExxonMobil darf im 26 800 Quadratkilometer großen Stabroek Block vor der Küste Probebohrungen vornehmen. Gerald Whyte vom Außenministerium sagt, noch könne das Ausmaß der Reserven nicht klar abgeschätzt werden - Exxon betont, sie seien signifikant. Somit könnte Guyana richtig gutes Geld mit einer Förderlizenz verdienen.

Die Vereinten Nationen und Brasilien sind schon zur Suche nach einer friedlichen Lösung angerufen worden. Venezuela sitzt zwar bereits auf den größten Ölreserven der Welt, ist aber in einer sehr schweren politischen Krise, das Land völlig polarisiert zwischen Anhängern des linken Maduro und seinen Gegnern. Der Absturz des Ölpreises, hohe Inflation und viel Gewalt stellen das Land vor eine Zerreißprobe. Und machen Maduro nervös. Jüngst beim Mercosur-Gipfel in Brasilia traf sich Brasiliens Präsidentin Rousseff demonstrativ auch mit Guyanas Präsidenten Granger - im Gegenzug verließ Maduro das Treffen vorzeitig.

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Ist das "Säbelrasseln" letztlich ein Ablenkungsmanöver von Maduros schweren Problemen daheim in Caracas? "Es ist auch Innenpolitik", meint der auf Sicherheitsfragen in Lateinamerika spezialisierte Wolf Grabendorff. Der Professor der Universität Andina Simón Bolivar in Ecuador betont aber zugleich: "Es gibt bis heute keine verbindliche Regelung zum Grenzverlauf." Maduro habe den Konflikt nicht erfunden, sondern lediglich wiederbelebt. "Es geht primär nicht um das Land, sondern um die ökonomisch interessanten Zonen im Meer." Da gebe es durchaus weitere Konfliktpotenziale in der Region - gerade wenn die Rohstoffausbeutung im Meer weiter an Bedeutung gewinnt. Längst geht es nicht mehr nur um Öl, sondern auch um Kobalt oder Seltene Erden.

Und glaubt Grabendorff, dass Maduro Truppen in Guyana einmarschieren lässt? "Ich glaube nicht, dass es einen Krieg geben wird", sagt er. Und wie kann eine Lösung aussehen? "Ich könnte mir eine Vereinbarung vorstellen, dass es in dem umstrittenen Gebiet keine ökonomische Nutzung, also Ölförderung, geben darf." Aber unbeantwortet bliebe dann weiter die Frage, welche Grenze von beiden Staaten akzeptiert wird.

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