Umfrage-Debakel bei der CSU: Seehofer, der Vater des Absturzes
München - Obwohl die Regierung von Ministerpräsident Markus Söder die Familien im Lande mit Familien- und die Pflegebedürftigen mit Pflegegeld rechtzeitig vor der Wahl bedenkt, will sich keine rechte Dankbarkeit des Wahlvolks einstellen. Im Gegenteil: Am Donnerstag erreichte die CSU im ARD-Bayerntrend den bisherigen Tiefpunkt von 33 Prozent – fast 15 Prozent unter dem vergangenen Landtagswahl-Ergebnis.
Beim ZDF-Politbarometer vom Freitag kamen die Christsozialen zwar auf 35 Prozent – doch ein solches Ergebnis macht das Kraut nicht fett. Eher dürfte Söder mit seinem Raumschiff auf dem Mond landen, als dass er mit der CSU die absolute Mehrheit verteidigt, unken Spötter. Die Umfragen lassen sogar eine abenteuerliche Tuttifrutti-Koalition, bestehend aus Grünen, SPD, Freien Wählern und FDP, rechnerisch für möglich erscheinen.
Selbst die einstige Vertraute wendet sich von Seehofer ab
Seit mehr als fünf Jahrzehnten hat es eine solche Perspektive für den Freistaat nicht gegeben. Für den Ministerpräsidenten war schon am Donnerstagabend klar, wem er eine mögliche Wahl-Klatsche der CSU in die Schuhe schieben will: zum einen der Berliner Politik – die GroKo sei mitverantwortlich für die schlechten Umfragewerte der CSU. Und zum anderen dem Parteichef. Es geht um das Verhalten Horst Seehofers im Zusammenhang mit dem Flüchtlings-Masterplan: „Ich gebe zu: Das waren nicht gerade unsere allergrößten Sternstunden!“, sagt Söder.
Bereits am vergangenen Montag, als der angeschlagene Chef die CSU-Vorstandssitzung verlassen hatte, redeten einige Damen und Herren aus dem erlesenen Kreis Klartext: Wenn die Landtagswahl am 14. Oktober für die CSU schief geht, dann muss der Parteivorsitzende im Zentrum der Kritik stehen – und zur Not auch seinen Hut nehmen. Auch wegen der „unendlichen Diskussion“ über den Bundesverfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen, wie der frühere Bildungsminister Ludwig Spaenle intonierte. Selbst die einstige Vertraute, Landtagspräsidentin Barbara Stamm, geht auf Distanz.
Seehofer: Sündenbock oder Alleinschuldiger?
„Horst Seehofer hat die CSU lächerlich gemacht“, sagt ein CSU-Vorstand. Ein anderer spricht von Fremdschämen und unverzeihlichen Fehlern eines verbitterten Mannes. Die CSU-Granden sind sich einig: Seehofer wird die Schuld auf sich nehmen müssen. Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa! Der Mechanismus des Sündenbocks mag zwar für die Herde eine befreiende Wirkung haben, spiegelt aber selten die ganze Wahrheit wider. Das voraussichtlich nicht glorreiche tatsächliche CSU-Abschneiden hat eine längere Vorgeschichte.
Dazu gehört zwar auch der nächtliche Zirkus um den Rücktritt vom Rücktritt des CSU-Chefs im Konflikt um seinen „Asylplan“. Dieses Schauspiel überzeugte das Publikum nicht gerade von der Weisheit der scheinbar ewigen bayerischen Staatspartei. Aber (fast) alle machten mit – ebenso beim jahrelangen Merkel-Bashing, das vor der Bundestagswahl abrupt mit einem merkwürdigen Kuschelkurs endete. Die CSU, beschrieb Politikwissenschaftler Werner Weidenfeld vor Kurzem im AZ-Interview, hat schon über Jahre hinweg ein „querulatorisches Image“ aufgebaut, das ihr in den Augen ihrer konservativen Wählerschaft nicht guttut.
Parteichef Seehofer war daran an führender Stelle beteiligt, aber ohne die Zustimmung der obersten Führungsgremien der Partei hätte er diesen Kurs nicht halten können. Die Migrationsfrage sei „die Mutter aller Probleme“, hatte Seehofer den CSU-Bundestagsabgeordneten bei ihrer Sommerklausur in Brandenburg Anfang September gesagt. Nun, einen Monat später und eine Woche vor der Wahl im Freistaat, wird schon intensiv daran gearbeitet, die drohende Niederlage wenigstens einem Vater zuzuweisen, dem Vater aller Probleme gewissermaßen. Wie heißt es so schön: Der Erfolg hat viele Väter, aber die Niederlage ist ein Waisenkind. Horst Seehofer weiß, was auf ihn zukommt.