Ukraine zu Boykott-Forderung: "Kalter-Krieg-Methode"

Keine Zugeständnisse des EM-Gastgebers: Die Ukraine hat Forderungen Deutschlands nach einer Freilassung der inhaftierten Julia Timoschenko scharf zurückgewiesen.
von  dpa

Keine Zugeständnisse des EM-Gastgebers: Ukraine hat Forderungen Deutschlands nach einer Freilassung der inhaftierten Julia Timoschenko scharf zurückgewiesen.

Kiew/Berlin - Nachdem in Berlin mit einem politischen Boykott der Spiele gedroht worden war, warnte das ukrainische Außenministerium die Bundesregierung am Montag davor, die "Methoden der Zeiten des Kalten Krieges wiederzubeleben". In Polen, dem Co-Gastgeberland der Fußball-Europameisterschaft (EM), herrscht dagegen Schweigen zu den Boykott-Forderungen gegen die Spiele in der Ukraine.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwägt, ihren Ministern zu empfehlen, den EM-Spielen in der Ex-Sowjetrepublik fernzubleiben. Dies gilt laut "Spiegel" für den Fall, dass Timoschenko nicht für eine angemessene medizinische Behandlung freigelassen wird. Umweltminister Norbert Röttgen sagte der "Bild"-Zeitung: "Es muss unbedingt verhindert werden, dass das ukrainische Regime die EM zur Aufwertung ihrer Diktatur nutzt. Deshalb finde ich, dass Besuche von Ministern und Ministerpräsidenten zur EM nach jetzigem Stand nicht in Frage kommen." Die Ukraine ist mit Polen vom 8. Juni bis 1. Juli Gastgeber der EM.

Die Berichte aus Deutschland stießen in der ukrainischen Hauptstadt Kiew auf Unverständnis und Empörung. Er hoffe, dass dies nur eine "Zeitungsente" sei, sagte Außenamtssprecher Oleg Woloschin am Montag. "Man will gar nicht daran denken, dass die Staatsmänner Deutschlands fähig sind, die Methoden der Zeiten des Kalten Krieges wiederzubeleben und zu versuchen, den Sport zu einer Geisel der Politik zu machen", sagte Woloschin nach Angaben örtlicher Medien.

Deutschland erhält für seine scharfe Kritik an der ukrainischen Menschenrechtspolitik von anderen EU-Mitgliedern bislang wenig direkte Unterstützung. Allerdings sagte nach Bundespräsident Joachim Gauck auch der tschechische Präsident Václav Klaus seine Reise zum geplanten Gipfeltreffen Mitte Mai in der Ukraine ab - mit Verweis auf die Lage Timoschenkos.

In Polen halten sich Sportfunktionäre und Politiker mit Reaktionen auf den Vorstoß Deutschlands zurück. "Die EM ist eine gemeinsame Veranstaltung Polens und der Ukraine, und sie sollte bestmöglich verlaufen", zitierte der "Gazeta Prawna" am Montag den Politiker Pawel Kowal. Der Europaparlamentarier rief die polnische Regierung zu "vernünftigen Reaktionen" im Verhältnis zur Ukraine auf.

An Timoschenkos Haftort in Charkow wies die Staatsanwaltschaft schwere Beschuldigungen der Politikerin zurück, sie sei bei einem erzwungenen Transport in eine Klinik vor einer Woche geschlagen worden. Keiner der Ärzte oder Krankenpfleger habe dies bei einer Befragung bestätigt, sagte ein Justizsprecher dem Fernsehsender 5 Kanal. Timoschenko befindet sich nach eigenen Angaben seit dem 20. April im Hungerstreik.

Die Widersacherin von Präsident Viktor Janukowitsch war im Vorjahr zu sieben Jahren Lagerhaft verurteit worden, weil sie Gasverträge mit Russland zum Schaden der Ukraine abgeschlossen haben soll. Im Westen galt das Verfahren als politischer Prozess. Auch mehrere Minister der früheren Regierung Timoschenko sitzen in Haft.

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