Ukraine wählt: Timoschenko ruft zu Machtwechsel auf
Kiew - "Nur blinde und taube Menschen können diese Wahlen fair nennen", teilte die inhaftierte Timoschenko mit. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) bezeichnete die Wahl als "wichtige Bewährungsprobe für Demokratie und Rechtstaatlichkeit".
Rund 36,6 Millionen Ukrainer sind im zweitgrößten Flächenstaat Europas aufgerufen, die 450 Abgeordneten der Rada zu wählen. Die Opposition um Timoschenko und Boxweltmeister Vitali Klitschko hofft auf einen Machtwechsel. Allerdings zeigte sich die Regierungspartei von Präsident Viktor Janukowitsch siegessicher. "Ich habe für Stabilität gestimmt, für eine wirtschaftliche Entwicklung des Landes und dafür, dass bei uns die Menschen besser leben", sagte Janukowitsch. Seine im russischsprachigen Osten der Ukraine verwurzelte Partei der Regionen machte sich Hoffnung, durch Direktmandate und eine Koalition mit den Kommunisten weiter regieren zu können.
Westerwelle erklärte am Sonntag in Berlin: "Ich habe die klare Erwartung, dass die Wahlen frei und fair durchgeführt werden müssen. Wir werden das genau beobachten." Zugleich sprach er sich für engere Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Ukraine aus. "Wir wünschen uns eine nach Westen orientierte Ukraine, die mit uns die europäischen Werte teilt."
Die EU und die USA hatten kritisiert, dass Ex-Regierungschefin Timoschenko als wichtigste Gegnerin von Janukowitsch von der Wahl ausgeschlossen wurde. "Ich stimme für die Freiheit aller politischen Gefangenen und für die Gerechtigkeit", sagte die Tochter der Politikerin, Jewgenija Timoschenko, an der Wahlurne. Die Politikerin verbüßt seit 2011 eine siebenjährige Haftstrafe wegen Amtsmissbrauchs.
Julia Timoschenko kündigte an, an ihrem Haftort in Charkow abstimmen zu wollen. Sie rief zu einer hohen Wahlbeteiligung auf, weil dadurch das Risiko von Fälschungen gesenkt werde. Massenproteste in der ukrainischen Hauptstadt wie während der Orangenen Revolution von 2004 sind diesmal gerichtlich verboten. Damals hatte Timoschenko als eine der Anführerinnen der Revolution einen Machtwechsel in der Ex-Sowjetrepublik friedlich durchgesetzt.
Das markanteste Gesicht der Opposition bei dieser Wahl ist Boxweltmeister Klitschko, Timoschenkos Unterstützer von damals, der mit seiner Partei Udar (Schlag) einen Machtwechsel anstrebt. Nach einem von Klitschko als "extrem schmutzig" kritisierten Wahlkampf sei die Abstimmung ruhig angelaufen, teilte die Zentrale Wahlkommission in Kiew mit. Bei Regen waren in Kiew am Vormittag nur wenige Menschen in den Wahllokalen anzutreffen.
Die Abstimmung gilt als Richtungswahl über den künftigen Kurs der Ex-Sowjetrepublik zwischen der EU und Russland. Der SPD-Politiker Markus Meckel zeigte sich in Kiew beunruhigt von Berichten über Stimmenkauf und manipulierte Wählerverzeichnisse. Dies müsse genau untersucht werden, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Meckel ist einer von mehr als 3700 ausländischen Wahlbeobachtern.
Die Wahllokale schließen um 19.00 Uhr MEZ. Danach werden erste Prognosen erwartet. Letzte Umfragen sahen die Regierung knapp vorne.