Ukraine: Scholz sendet Beistands-Signal - Bangen vor Nationalfeiertag

Kiew - Unmittelbar vor dem ukrainischen Nationalfeiertag am Mittwoch wächst die Nervosität vor verstärkten russischen Attacken. Die USA forderten ihre Bürger in der Ukraine auf, das Land sofort zu verlassen.
Zugleich wollte Kiew auf einem Online-Gipfel erneut internationale Unterstützung bei seinen Plänen zur Rückeroberung der von Russland annektierten Halbinsel Krim mobilisieren.

Deutschland sendet bei dieser Gelegenheit ein klares Signal des Beistands. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lobte unterdessen den Kampfgeist der Ukrainer. An diesem Mittwoch ist es genau ein halbes Jahr her, dass Russland in sein Nachbarland einmarschiert ist.
Scholz sichert Ukraine bei Gipfel anhaltende Unterstützung zu
Bundeskanzler Olaf Scholz hat der Ukraine anhaltende Unterstützung im Krieg gegen Russland zugesichert. "Die internationale Gemeinschaft wird Russlands illegale, imperialistische Annexion ukrainischen Territoriums niemals akzeptieren", sagte der SPD-Politiker am Dienstag bei der Konferenz zur Lage auf der Krim, zu der er per Video aus Kanada zugeschaltet war.

Die Partner der Ukraine seien vereint wie nie. "Ich kann Ihnen versichern: Deutschland steht fest an der Seite der Ukraine, so lange die Ukraine unsere Unterstützung braucht." Weiter sagte Scholz, Deutschland werde mit seinen Partnern die Sanktionen gegen Russland aufrechterhalten, finanziell helfen, Waffen liefern und sich auch am Wiederaufbau beteiligen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bekräftigte bei der Konferenz den Anspruch seines Landes auf die Krim: "Ich möchte, dass Sie alle wissen: Wir werden auf jeden Fall zurückkommen!"
Er warf Teilen der internationalen Gemeinschaft vor, die Ereignisse auf der Schwarzmeer-Halbinsel nach der russischen Annexion 2014 ausgeblendet zu haben. Für sein Land sei die Krim nicht irgendein Gebiet. "Für die Ukraine ist die Krim ein Teil unseres Volkes unserer Gesellschaft."
Bei dem Forum sollten auch Kanadas Premierminister Justin Trudeau, Japans Ministerpräsident Fumio Kishida und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprechen. Insgesamt waren mehr als 50 Teilnehmer aus Europa, Asien, Amerika und Afrika angekündigt.
Furcht vor verstärkten russischen Angriffen
Angesichts von Befürchtungen über verstärkte russische Angriffe in den kommenden Tagen haben die USA ihre Bürger in der Ukraine zum sofortigen Verlassen des Landes aufgefordert. Die US-Botschaft in Kiew veröffentlichte dazu am Dienstag eine neue Sicherheitswarnung.
Darin heißt es: "Das (US-)Außenministerium verfügt über Informationen, wonach Russland seine Bemühungen verstärkt, in den kommenden Tagen Angriffe gegen die zivile Infrastruktur der Ukraine und Regierungseinrichtungen zu starten." Die Ukraine feiert am Mittwoch - genau ein halbes Jahr nach Kriegsbeginn - den 31. Jahrestag ihrer Unabhängigkeit von der Sowjetunion.
London: Russland arbeitet nach Beschuss an Behelfsbrücken
Nach dem ukrainischen Beschuss strategisch wichtiger Brücken über den Fluss Dnipro arbeitet Russland nach britischer Einschätzung an einer Behelfsbrücke. Russische Truppen hätten am Wochenende vermutlich damit begonnen, Lastkähne in Position zu bringen, um direkt neben der beschädigten Antoniwskyj-Brücke eine Pontonbrücke zu errichten, teilte das Verteidigungsministerium in London am Dienstag unter Berufung auf Geheimdienstinformationen mit. Die Brücke ist von zentraler Bedeutung für die Versorgung russischer Truppen in der besetzten südukrainischen Großstadt Cherson.
Steinmeier empfindet Hochachtung für Mut der Ukrainer
Bundespräsident Steinmeier hat der Ukraine seine "größte Hochachtung" für ihren Freiheitskampf gegen Russland ausgesprochen. "Ich bewundere, mit welchem Mut, welcher Entschlossenheit Sie, die Streitkräfte und die gesamte Bevölkerung sich dem brutalen russischen Angriffskrieg entgegenstellen", schrieb er am Dienstag dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj aus Anlass des Nationalfeiertags der Ukraine an diesem Mittwoch.

"Sie lassen sich Ihr Land, Ihr Leben, Ihre Freiheit nicht nehmen. Sie wissen Deutschland und Europa dabei an Ihrer Seite." Als Kandidat für den Beitritt zur Europäischen Union gehe die Ukraine zudem einen Weg von großer transformativer Kraft, der enorme Chancen biete.
Ukrainer in Großbritannien bald ohne private Unterkunft?
Tausenden ukrainischen Flüchtlingen in Großbritannien droht ein Ende ihrer Unterkunft in privaten Haushalten. Wie das nationale Statistikamt ermittelt hat, will oder kann etwa jeder vierte Gastgeber die für ein halbes Jahr zugesagte Unterbringung nicht mehr fortsetzen.
Flüchtlings-Staatssekretär Richard Harrington forderte deshalb, die Hilfszahlungen der Regierung von derzeit 350 Pfund (415 Euro) im Monat zu verdoppeln. Harrington verwies auf die explodierenden Kosten für Strom und Gas. Beim Programm "Homes for Ukraine" (Ein Heim für die Ukraine) nehmen Privatleute ukrainische Flüchtlinge für mindestens ein halbes Jahr bei sich zu Hause auf. Derzeit leben 81.700 Ukrainer in etwa 25.000 Haushalten.
Regierung sieht Integration der Kriegsflüchtlinge als Beispiel
Die Aufnahme und Integration der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine hat aus Sicht der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung bislang gut funktioniert und sollte deshalb als Vorbild dienen.
Die SPD-Politikerin Reem Alabali-Radovan sagte der Deutschen Presse-Agentur, mit sofortigem Zugang zu Arbeitsmarkt und Integrationskurs sowie mit Leistungen aus einer Hand von den Jobcentern sei das Ankommen insgesamt gut gelungen. "Das muss Blaupause für unsere Migrations- und Integrationspolitik sein, damit wir ein Einwanderungs- und Integrationsland auf der Höhe der Zeit sind."
Die Staatsministerin würdigte das Engagement der vielen ehrenamtlichen Helfer, die an Bahnhöfen und in Notunterkünften angepackt oder in der eigenen Wohnung Platz gemacht hätten.