Ukraine-Präsident Selenskyj: Papst Franziskus soll vermitteln

Er hat Staatschefs und Parlamente um Hilfe gebeten, nun wendet sich der ukrainische Präsident an das Oberhaupt der Katholischen Kirche: Wolodymyr Selenskyj hat Papst Franziskus als Vermittler im Konflikt mit Russland vorgeschlagen.
Selenskyi hat bereits mit dem Papst telefoniert
Er habe mit dem Pontifex telefoniert und ihm "die schwierige humanitäre Situation und die Blockade von Fluchtkorridoren durch russische Truppen" in seinem Land geschildert, twitterte der 44-Jährige gestern. "Wir würden eine Vermittler-Rolle des Heiligen Stuhls schätzen, um das menschliche Leid zu beenden." Zugleich dankte Selenskyj Franziskus für seine "Gebete für die Ukraine und den Frieden".
Papst Franziskus fordert ein Ende der Gewalt
Papst Franziskus hat seit dem Einmarsch Russlands ins Nachbarland Ukraine vor knapp einem Monat wiederholt ein Ende der Gewalt gefordert. Vor eineinhalb Wochen sagte das Kirchenoberhaupt beim Angelusgebet, Russlands "inakzeptable bewaffnete Aggression" müsse gestoppt werden, "bevor sie Städte in Friedhöfe verwandeln" würde.
Friedensgespräche verliefen bislang erfolglos
Franziskus rief zu Verhandlungen zwischen den Gegnern und zur Schaffung funktionierender humanitärer Korridore für flüchtende Zivilisten auf und appellierte: "Im Namen Gottes fordere ich Sie auf, stoppen Sie dieses Massaker!" Die Gespräche zwischen Kiew und Moskau über ein Ende des russischen Angriffskriegs mit Tausenden Toten haben bislang keine greifbaren Ergebnisse erbracht.
Selenskyj würde einen Kompromiss eingehen
Selenskyj hatte sich in der Nacht dazu bereiterklärt, mit Russlands Staatschef Wladimir Putin über einen "Kompromiss" in Bezug auf die Separatistengebiete Donezk und Luhansk in der Ostukraine sowie die Krim zu sprechen. Aber diese Regionen gehörten zur Ukraine. Jegliches Abkommen mit Moskau, das "historische" Veränderungen mit sich bringe, müsste letztlich per Volksabstimmung in der Ukraine bestätigt werden, sagte Selenskyj.
Abstand von der Nato-Mitgliedschaft
Von einer Mitgliedschaft in der Nato, die in der ukrainischen Verfassung eigentlich als Ziel verankert ist, hat der Staatschef schon vor geraumer Zeit Abstand genommen. Bei den Verhandlungen mit Moskau geht es zunächst um einen neutralen Status der Ukraine und internationale Sicherheitsgarantien für das Land. "Um einen Ausweg zu finden, muss man einen ersten Schritt machen", sagte Selenskyj.
"Indem Putin uns vernichtet, vernichtet er sich selbst"
"Und wenn wir das geschafft haben, können wir reden." Er wäre dann bei einem Treffen mit seinem Widersacher, Kremlchef Wladimir Putin, bereit zu Gesprächen über die besetzten Gebiete. Er erwarte zwar nicht, alle Fragen bei Gesprächen mit Putin zu lösen. "Aber es gibt eine Chance, einen Teil davon zu lösen, den Krieg zu beenden." Selenskyj warnte Putin auch vor einer Fortsetzung des Kriegs: "Indem er uns vernichtet, vernichtet Putin sich selbst."
Moskau macht keine Angaben zu den Verhandlungen
Moskau reagierte kühl auf den Vorschlag aus Kiew. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte, in den Verhandlungen finde zwar ein "gewisser Prozess" statt, "aber wir würden uns wünschen, dass er energischer und substanzieller ist". Zum Inhalt machte er keine Angaben, weil dies "den Verhandlungsprozess nur noch weiter behindern würde".
Währenddessen verstärkten die russischen Streitkräfte ihre Luftangriffe auf ukrainische Städte. Das US-Verteidigungsministerium sprach zuletzt von 300 Lufteinsätzen innerhalb von 24 Stunden.
Die Angreifer können den Belagerungsring nicht schließen
Den Belagerungsring um Kiew konnten die russischen Angreifer jedoch weiterhin nicht schließen. Nach ukrainischen Angaben haben sie begonnen, ihre Stellungen um die Hauptstadt für den Fall von Gegenangriffen zu befestigen, erstmals auch mit Minen.
Dem Versuch, entlang der Schwarzmeerküste zur Metropole Odessa vorzudringen, steht weiterhin die Stadt Mykolajiw im Weg, die noch nicht gänzlich von russischen Truppen eingeschlossen ist.
Dramatische Lage in Mariupol
Die ukrainischen Behörden kündigten einen weiteren Versuch an, Zivilisten aus Mariupol in Sicherheit zu bringen. Mehr als 200.000 Menschen sind in der Stadt eingeschlossen. Die Lage ist nach wochenlangem Beschuss und ohne Versorgung dramatisch. Bewohner, denen die Flucht gelang, sprechen von einer "eiskalten Höllenlandschaft voller Leichen und zerstörter Gebäude". 80 Prozent der Infrastruktur seien beschädigt oder zerstört.
"Wir werden versuchen, die Evakuierung durchzuführen, bis wir alle Einwohner von Mariupol herausbekommen haben", sagte die stellvertretende ukrainische Regierungschefin, Iryna Wereschtschuk, in einer Videobotschaft. "Wir wissen, dass es nicht genug Platz für alle geben wird."
Tausende russiche Soldaten sind bereits gestorben
Unterdessen sorgte ein Online-Bericht der Kreml-nahen russischen Zeitung "Komsomolskaja Prawda" über bedeutende Verluste der russischen Streitkräfte für Aufsehen. Demnach wurden 9.861 russische Soldaten in der Ukraine getötet und 16.153 verwundet. Die Angaben wurden rasch wieder von der Website gelöscht.