Ukraine-Krise: Das müssen Sie jetzt wissen
Paris – In der Niederlassung der Vereinten Nationen in Genf finden am Donnerstag, 17. April 2014, hochrangige Gespräche über die dramatischen Entwicklungen in der Ukraine statt. Erstmals wollen die Ukraine, die Europäische Union, die USA und Russland gemeinsam über das weitere Vorgehen beraten.
Die Ereignisse überstürzen sich, die Machtverteilung auf dem europäischen Kontinent verändert sich, die Entwicklungen könnten nach Einschätzung von Experten "außer Kontrolle" geraten.Die wichtigsten Fragen vor der Verhandlungsrunde in Genf:
Welche Rolle spielt die Regierung in Kiew?
Nach dem Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch ist in Kiew eine Übergangsregierung im Amt, die Präsidentenwahlen für den 25. Mai anstrebt. Die aktuelle Regierung wird von Russland nicht anerkannt.
Für Frankreichs Außenminister Laurent Fabius ist es von "fundamentaler Bedeutung", dass die Präsidentenwahl abgehalten und eine "legitime" Regierung gebildet wird, die im In- und Ausland Gehör findet.
"Die Ukraine mag sehr wenig Macht haben", sagt Maria Lipman vom Carnegie-Zentrum in Moskau. "Aber sie hat genug Macht, um für den Beginn eines Blutvergießens zu sorgen." Lipman warnt, die "Gefahr eines großflächigen Krieges" müsse "immer vor Augen bleiben"
Welche Ziele verfolgt Russland?
Die russische Führung steht unter dem Eindruck, dass sich der Einfluss des Westens, insbesondere in Gestalt der NATO, nach Osten ausdehnt. "Der russische Präsident Wladimir Putin will vor allem das westliche Vordringen zur russischen Grenze aufhalten", sagt Lipman.
Bezogen auf die Ukraine bedeute dies, dass Russland eine "instabile, dezentrale" Ukraine ganz Recht sei, in der sich ganze Regionen im Süden und Osten der Kontrolle Kiews entzögen.
Moskau wolle "den Eindruck verfestigen, dass Kiew über keine Autorität mehr verfügt", sagt John Lough vom Institut Chatham House in London. Die ukrainische Regierung solle als "inkompetent" dastehen.
Wie im Falle der Krim vor ein paar Wochen ist es so, dass die prorussischen Einheiten ohne offizielle russische Hoheitszeichen agieren. Eine Befehlskette, die von Moskau bis zu den Aufständischen im Osten der Ukraine reicht, ist nicht nachweisbar.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow verlangt von der Übergangsregierung in Kiew, sie dürfe keine Truppen in den Osten entsenden, um "die Kundgebungen niederzuschlagen".
Welche Rolle kommt dem Westen zu?
Die Ukraine zählt nicht zu den 28 NATO-Staaten, eine Beistandsverpflichtung besteht nicht. Allerdings hat das Atlantische Bündnis klargestellt, dass NATO-Staaten wie Polen und die Balten-Republiken nicht in den Strudel der Ereignisse gerissen werden dürfen.
Die Europäische Union und die USA haben Sanktionen gegen russische und ukrainische Regierungsvertreter und Geschäftsleute verhängt, die zum engen Kreis um Putin gerechnet werden.
"Putin fürchtet die Banken im Westen mehr als die Panzer aus dem Westen", sagt Andy Hunder vom Ukrainischen Institut in London. "Es gibt an Bankenplätzen wie London viel russisches Geld."#
Wenn die Sanktionen Putins Vertraute direkt träfen, würden diese ihm "sagen, dass etwas geändert werden muss". Von strategischer Bedeutung wäre es nach Ansicht der Forscherin Anne de Tinguy vom Institut d'études politiques in Paris, die Abhängigkeit des Westens von den Gas-Importen aus Russland zu verringern.
Neben weiteren Visa-Beschränkungen müssten gegen Russland Sanktionen wie etwa gegen den Iran verhängt werden, sagt der Experte Hunder. Und auch Tinguy vertritt die Ansicht, erst bei nachhaltigen wirtschaftlichen Umorientierungen werde der Führung in Moskau deutlich werden, dass sie "die Grenzen zum nicht mehr Hinnehmbaren" überschritten habe.