Ukraine: Armee warnt vor Eskalation
Die Militärführung meldet sich zu Wort. Derweil schockiert die brutale Misshandlung eines Demonstranten die internationale Gemeinschaft.
Kiew - Im erbitterten Machtkampf in der Ukraine hat sich erstmals die Armeeführung zu Wort gemeldet. Bei einer weiteren Eskalation der schweren Krise drohe die Spaltung des Landes, warnten die Militärs in einer Mitteilung vom Freitag.
Die Besetzung staatlicher Gebäude durch Demonstranten sei unzumutbar. Bei einem Treffen unter Vorsitz von Verteidigungsminister Pawel Lebedew forderte die Armee Präsident und Oberbefehlshaber Viktor Janukowitsch auf, "dringend Maßnahmen zur Stabilisierung der Situation im Land zu ergreifen und Harmonie in der Gesellschaft zu erreichen".
Menschenrechtler kritisierten indes, Polizeieinheiten hätten während der Straßenschlachten mit radikalen Regierungsgegnern absichtlich auch Journalisten und Ärzte angegriffen. Die Opposition beklagt zudem, dass etwa 30 Aktivisten verschleppt worden seien, angeblich von angeheuerten Schlägerbanden.
Acht Tage nach seinem Verschwinden wurde ein entführter Regierungsgegner schwer misshandelt gefunden. Seine Peiniger hätten ihn massiv gefoltert und einen Teil seines Ohrs abgeschnitten, berichtete der Aktivist Dmitri Burlatow. Der Oppositionspolitiker Vitali Klitschko sprach von einem "Akt der Einschüchterung".
Der Ex-Boxweltmeister will noch am Freitag gemeinsam mit seinem Oppositionskollegen Arseni Jazenjuk nach München aufbrechen und bei der Sicherheitskonferenz um Unterstützung werben. Geplant seien Gespräche mit US-Außenminister John Kerry, der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton, Bundespräsident Joachim Gauck und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, teilte Klitschkos Partei Udar (Schlag) mit.
Auch der amtierende ukrainische Außenminister Leonid Koschara wird in München erwartet, wo er sich unter anderem mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow sowie dem für Nachbarschaftspolitik zuständigen EU-Kommissar Stefan Füle treffen will.
Der russische Vize-Regierungschef Dmitri Rogosin kritisierte das geplante Treffen von Kerry mit der ukrainischen Opposition als "Zirkus". Moskau hatte dem Westen wiederholt vorgeworfen, sich in die inneren Angelegenheiten der früheren Sowjetrepublik einzumischen und den Machtkampf in Kiew anzuheizen. Die Proteste in der Ukraine waren ausgebrochen, nachdem Präsident Janukowitsch Ende November auf Druck Russlands ein historisches Partnerschaftsabkommen mit der Europäischen Union auf Eis gelegt hatte.
Mindestens vier Menschen wurden bei Zusammenstößen seit Mitte Januar getötet, mehr als 500 verletzt. Von rund 230 Festgenommenen sitzen derzeit noch etwa 140 in Untersuchungshaft.
Eine Mehrheit der Deutschen sprach sich in einer Umfrage gegen eine stärkere Einmischung der EU in den Machtkampf in der Ukraine aus. Nach dem am Freitag veröffentlichten ZDF-"Politbarometer" votierten 59 Prozent gegen ein solches Vorgehen der Europäischen Union, 36 Prozent waren für eine stärkere Einmischung. Genauso klar wird eine finanzielle Unterstützung des Landes abgelehnt, nämlich von 60 Prozent der Befragten. Nur 33 Prozent sind für Finanzhilfen der EU, um damit die Abhängigkeit der Ukraine von Russland zu verringern.