Über EU-Beitritte entscheidet jetzt das Volk
Frankreichs Präsident Sarkozy feiert in Abwesenheit einen Sieg. Mit der Minimal-Mehrheit billigen die beiden Kammern die größte Verfassungsreform seit mehr als 40 Jahren. Auch bei Militäreinsätzen gibt es Neuerungen.
Die beiden Kammern des französischen Parlaments haben mit einer äußerst knappen Mehrheit von nur einer Stimme die größte Verfassungsreform seit mehr als 40 Jahren gebilligt.
Die rund 900 Abgeordneten stimmten am Montag im Schloss von Versailles mit 539 zu 357 Stimmen bei neun Enthaltungen für die von Staatspräsident Nicolas Sarkozy eingeleitete Reform. Bis zuletzt war ungewiss, ob die erforderliche Mindeststimmenzahl von 538 zustande kommen würde. «Die Demokratie hat gesiegt», kommentierte Sarkozy das Ergebnis von Irland aus, wo er sich zu EU-Gesprächen aufhielt.
Volksabstimmung bei jedem neuen EU-Beitritt
Mit dem neuen Text wird vor allem die Rolle des Parlaments gestärkt. Die Verfassungsreform sieht vor, dass bei jedem neuen EU-Beitritt eine Volksabstimmung abgehalten wird. Das könnte zu besonderen Schwierigkeiten bei der Erweiterung der Union führen. Im Falle der Türkei etwa gilt es als unwahrscheinlich, dass die Mehrzahl der Franzosen einer EU-Aufnahme des Landes zustimmen würde.
Parlament entscheidet über lange Militäreinsätze im Ausland
Die Änderungen betreffen etwa jeden zweiten Verfassungsartikel. So müssen nun Militäreinsätze im Ausland, die länger als sechs Monate dauern, vom Parlament gebilligt werden. Zu den Neuerungen zählen auch die Anerkennung der Regionalsprachen und das Recht auf Referendumsinitiativen aus der Bevölkerung. Der neue Text räumt dem Parlament das Recht ein, zu gleichen Teilen über die Tagesordnung zu befinden. Bisher schrieb die Regierung die Debattenthemen vor. Der Beschluss von Gesetzen ohne Debatte wird beschränkt.
Kein Rütteln an der Stellung des Präsidenten
An der Stellung des Präsidenten wird nicht gerüttelt. Er bekommt nun sogar das Recht, vor dem Kongress zu sprechen. Allerdings wird seine Amtszeit auf zwei Mandate von je fünf Jahren begrenzt, während sie bisher unbegrenzt war. Allerdings haben die Franzosen noch nie einen Präsidenten zum dritten Mal gewählt. Die Begrenzung der Amtszeit war allerdings schon eine Forderung des sozialistischen Ex-Präsidenten François Mitterrand. Ohnehin gehen zahlreiche Veränderungen auf langjährige Forderungen der Sozialisten zurück. Deshalb hatte etwa auch der sozialistische Ex-Kulturminister Jack Lang angekündigt, für den Text zu stimmen.
Sarkozy besteht den Test
Das Votum galt als Test für Sarkozy. Nicht nur die Opposition aus Grüne, Kommunisten und Sozialisten wollte gegen die grundlegende Verfassungsänderung stimmen, sondern auch einige Politiker der konservativen Regierungspartei UMP. Reformgegner sehen in der Verfassungsrevision den Versuch, das Amt des Präsidenten auf Kosten des Kabinetts und des Ministerpräsidenten zu stärken. (dpa)
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