Tunesische Partei Ennahda lehnt Regierungsumbildung ab
Tunis - Ministerpräsident Hamadi Jebali habe die Bildung einer Regierung mit parteilosen Experten eigenmächtig und ohne Absprache vorgeschlagen, sagte ein Führungsmitglied der dominierenden Regierungspartei Ennahda in Tunis. Das Land brauche weiter eine Regierung, in der auch Politiker säßen.
Mit der Ankündigung einer Kabinettsumbildung hatte Jebali am Vorabend auf neue regierungsfeindliche Demonstrationen reagiert. Auslöser der zum Teil gewaltsamen Proteste war die kaltblütige Tötung des Oppositionellen Chokri Belaïd (48) am Mittwochvormittag. Der bekannte Jurist trat für die Trennung von Staat und Religion ein und galt in Tunesien als einer der schärfsten Gegner der Regierung. Seine Familie und politische Weggefährten machen die islamistische Ennahda für das Attentat verantwortlich.
Das Auswärtige Amt in Berlin mahnte Touristen in Tunesien im Internet zu Vorsicht. Reisende müssten auf Demonstrationen gefasst sein, "die eskalieren könnten", heißt es in den Sicherheitshinweisen zum Land. Am Donnerstag gab es allerdings zunächst keine neuen Massenproteste. Ein von Oppositionspolitikern geplanter Generalstreik soll erst an diesem Freitag beginnen. Dann soll auc Belaïd beerdigt werden.
Im Ausland haben bereits zahlreiche Politiker ihre Besorgnis über die Entwicklungen im Mutterland des Arabischen Frühlings geäußert. "Die wachsende Zahl an politischen Gewalttaten durch extremistische Gruppen ist eine Gefahr für den politischen Wandel", schrieben die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle in einer in Brüssel verbreiteten Erklärung. Bundesaußenminister Guido Westerwelle rief alle politisch Verantwortlichen auf, das Erbe der friedlichen Revolution zu bewahren.
Auch die in Ägypten regierenden Muslimbrüder distanzierten sich von dem Attentat. "Die Muslimbrüder verurteilen Mordaufrufe, gleichgültig von welcher Seite sie kommen", erklärte ihr Sprecher Mahmud Ghoslan in der Nacht zum Donnerstag. "Sie lehnen auch generell den Einsatz von Gewalt und Schlägertrupps ab."
Ghoslan sagte der Nachrichtenagentur dpa, mit dieser Erklärung reagiere seine Organisation auf die jüngsten Entwicklungen in Ägypten sowie auf diverse Aufrufe zum Mord an Andersdenkenden. Zwei radikale islamische Prediger, Wagdi Ghoneim und Mahmud Schaaban, hatten in Ägypten in den vergangenen Wochen dazu aufgerufen, Oppositionelle zu töten.