Tunesien: Präsident flüchtet vor seinem Volk
TUNIS/PARIS - Der Druck der Massen war zu groß: Nach gewalttätigen Protesten ist der tunesische Präsident Ben Ali zurückgetreten und hat sich ins Ausland abgesetzt. Reiseveranstalter wollten deutsche Urlauber ausfliegen.
Nach blutigen Massenprotesten ist der tunesische Präsident Zine el Abidine Ben Ali zurückgetreten und hat das Land verlassen. Zuvor hatte Ben Ali am Freitag noch den Ausnahmezustand in dem Mittelmeerland verhängt, die Regierung abgesetzt und Neuwahlen ausgerufen. Reiseveranstalter hatten damit begonnen, deutsche Urlauber in die Heimat auszufliegen. Eine Luftraumsperrung führte allerdings zu Flugausfällen, die vorzeitige Heimkehr zahlreicher Touristen verzögerte sich. In den Urlauber- Hotels blieb es zunächst ruhig. Das Auswärtige Amt in Berlin riet von derzeit nicht unbedingt erforderlichen Reisen nach Tunesien ab.
Ministerpräsident Mohamed Ghannouchi war noch von Ben Ali beauftragt worden, eine Übergangsregierung bis zu Neuwahlen in sechs Monaten zu führen. Der arabische Sender Al Dschasira berichtete, Ghannouchi soll vorerst auch das Amt des Staatspräsidenten übernehmen.
In der Hauptstadt Tunis hatten zuvor mehr als zehntausend Menschen den Rücktritt des 74 Jahre alten Präsidenten gefordert. Bisher sollen rund 80 Menschen bei den Unruhen gestorben sein. Der Luftraum über dem nordafrikanischen Land war nach Verhängung des Ausnahmezustands komplett gesperrt worden. Das Militär riegelte den Flughafen der Hauptstadt Tunis ab.
Der Reiseveranstalter Thomas Cook teilte am Freitagabend mit, zwei gecharterte Sonderflüge der Condor seien wegen der Luftraumsperrung vorerst gestrichen worden. Zwei weitere Maschinen der Airline Germania befanden sich bereits in der Luft. Die REWE Touristik mit den Veranstaltern ITS, Jahn Reisen und Tjareborg stoppt ab sofort sämtliche Flüge nach Tunesien. Reiseveranstalter schätzen, dass mit deutschen Anbietern etwa 7000 Touristen nach Tunesien geflogen sind.
Die Proteste, die sich ursprünglich gegen die hohe Arbeitslosigkeit richteten, zielten zuletzt immer mehr auf das Regime Ben Alis und hatten selbst Touristenorte erreicht. Die Demonstranten in Tunis skandierten «Nein zu Ben Ali» und machen ihn und seinen Clan für Korruption, hohe Arbeitslosigkeit und Polizeigewalt verantwortlich.
Vor dem Innenministerium vertrieb die Polizei Demonstranten mit Tränengas. Zuvor hatten die Menschen versucht, das Gebäude zu stürmen. Journalisten forderten eine unabhängigere Berichterstattung des Staatssenders und setzten sich für eine Staatstrauer ein.
Bei Ausschreitungen hatten Sicherheitskräfte in den vergangenen Tagen mehrfach auf Demonstranten geschossen. Menschenrechtler nannten bis Donnerstag die Zahl von 66 Toten. Mindestens 13 weitere starben seitdem bei den Unruhen in der Hauptstadt Tunis, bestätigten Krankenhausmitarbeiter am Freitag der Nachrichtenagentur dpa. Ein ausländischer Fotograf wurde durch eine Tränengas-Granate am Kopf verletzt, berichtete der französische TV-Sender BFM. Der tunesische Botschafter bei der UN-Kulturorganisation Unesco in Paris, Mezri Hadded, gab wegen der Gewalt seinen Rücktritt bekannt.
Ben Ali hatte am noch Donnerstagabend Zugeständnisse gemacht und für 2014 das Ende seiner mittlerweile 23-jährigen Präsidentschaft in Aussicht gestellt. Sprecher von Oppositionsparteien im Land kritisierten das Angebot jedoch als ungenügend. Menschenrechtsgruppen wie Reporter ohne Grenzen prangerten das brutale Vorgehen gegen die Protestbewegung an.
In seiner dritten Fernsehansprache innerhalb weniger Wochen hatte Ben Ali sinkende Preise für Grundnahrungsmittel, mehr Demokratie und die Aufhebung der Internetzensur versprochen. Wenig später konnten zuvor gesperrte Onlineseiten wie YouTube wieder erreicht werden.
dpa
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