Trügerische Ruhe: Gröhe und die Krankenkassen

Was auf den ersten Blick als logisch wirkt, ist in Wahrheit eine Milchmädchenrechnung, die nur kurzfristig die Probleme kaschiert. AZ-Korrespondent Martin Ferber über das Anzapfen des Gesundheitsfonds.
Die Verlockung ist viel zu groß, um ihr nicht zu erliegen. Einerseits drohen bei den gesetzlichen Krankenkassen hohe Verluste, weil die Ausgaben trotz aller Kostenbremsen steigen und auch noch die medizinische Versorgung der Flüchtlinge hinzukommt, so dass ausgerechnet im Wahljahr 2017 eine erneute Erhöhung des Zusatzbeitrags ansteht. Andererseits liegen im Gesundheitsfonds Reserven von rund zehn Milliarden Euro. Gesundheitsminister Hermann Gröhe muss nicht lange nachdenken, wie sich die Unterfinanzierung der Kassen beheben lässt, ohne dass die Beitragszahler kurz vor dem Wahltag zur Kasse gebeten werden müssen.
Er zapft den Gesundheitsfonds an und leitet einen Teil der Überschüsse ins System. Dazu ist das Geld schließlich da. Nur, was auf den ersten Blick als logisch wirkt, ist in Wahrheit eine Milchmädchenrechnung, die nur kurzfristig die Probleme kaschiert. Es war nämlich die Bundesregierung, die in den vergangenen Jahren mit Blick auf die boomende Konjunktur und die sprudelnden Beiträge tief in die Kasse gegriffen und die Leistungen ausgeweitet hat. Die Kosten für die Flüchtlinge spielen im Vergleich dazu kaum eine Rolle. Zudem muss dafür ausschließlich der Staat über höhere Zuwendungen an den Fonds aufkommen, nicht der Beitragszahler.
So ist Gröhes Manöver ziemlich durchsichtig und lenkt von den wahren Problemen im Gesundheitsbereich ab. Kurzfristig gelingt es der Regierung, im Wahljahr Ruhe an der Gesundheitsfront herzustellen. Doch diese Ruhe ist trügerisch und teuer erkauft.