Trotz Merkel-Machtwort: Rösler bleibt bockig

In der schwarz-gelben Koalition eskaliert der Streit über die Griechenland-Hilfe: Wirtschaftsminister Rösler will sich von Kanzlerin Merkel nicht den Mund verbieten lassen.
von  dpa

 

In der schwarz-gelben Koalition eskaliert der Streit über die Griechenland-Hilfe: Wirtschaftsminister Rösler will sich von Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht den Mund verbieten lassen.

Berlin - Wirtschaftsminister und Vizekanzler Philipp Rösler (FDP) machte deutlich, dass er sich dem Machtwort von Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für mehr Zurückhaltung in der Griechenland-Debatte nicht beugen will.

Merkel verlangte dagegen am Donnerstag erneut, alles zu unterlassen, was die Zukunft des Euro gefährde. Am Mittwochabend hatte sie in einer gemeinsamen Erklärung mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy versucht, allen Gedankenspielen über einen Austritt Athens aus der Eurozone einen Riegel vorzuschieben.

Rösler sagte dem Berliner "Tagesspiegel" mit Blick auf Merkel: "Wir gehören unterschiedlichen Parteien an und bewerten die Dinge in eigener Verantwortung mit dem Ziel gemeinsamen Handelns. So ist das in Koalitionen." Bei der schwierigen Aufgabe, Griechenland in der Eurozone zu halten und wirtschaftlich auf die Beine zu bringen, dürfe es keine Denkverbote geben. "Gerade in meinem Amt muss ich offen sprechen." Die Menschen erwarteten von ihrer Regierung Ehrlichkeit. Wenn man wie er von der Notwendigkeit einer Diskussion zutiefst überzeugt sei, müsse man auch öffentlich dazu stehen.

Merkel verlangte dagegen - ohne Rösler beim Namen zu nennen - erneut, alles zu vermeiden, was zu noch mehr Unruhe um Griechenland und den Euro führen könnte. Deutschland sei in der Pflicht und der Verantwortung, seinen Beitrag zu leisten, um die Zukunft des Euro zu sichern. "Alles, was diesem Ziel dient, ist zu tun, und alles, was diesem Ziel nicht dient, ist zu unterlassen", sagte sie bei der Eröffnung der Internationalen Automobil-Ausstellung IAA in Frankfurt.

Unionsfraktionsvize Michael Meister (CDU) warnte wie Merkel vor leichtfertigen Debatten und wandte sich gegen Überlegungen über eine geordnete Insolvenz Griechenlands. Sonst könne ein unkontrollierbarer Prozess beginnen. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) forderte von Rösler, sich den Richtlinien der Kanzlerin zu beugen. "Rösler hat sich unterzuordnen", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung" (Donnerstag). Dessen Äußerung sei "für Deutschland zum Schaden".

FDP-Generalsekretär Lindner sagte dagegen der "Passauer Neuen Presse": "Langfristig sind mit solchen Denkverboten Gefahren für die demokratische Akzeptanz verbunden." Niedersachsens Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) sagte der dpa: "Die Frage, ob die Insolvenz Griechenlands ein Weg sein kann, muss man mit einem ganz klaren Ja beantworten."

Der FDP-EU-Abgeordnete Jorgo Chatzimarkakis sagte indessen der Zeitung "Die Welt": "Die Debatte über eine Insolvenz Griechenlands muss unverzüglich beendet werden, bevor sie noch weiteren Schaden anrichtet. Man kann als deutscher Wirtschaftsminister nicht über Insolvenz reden, ohne zu wissen, wie sie sich abspielen soll. Das ist fatal."

Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, sagte "Handelsblatt Online": "In der gegenwärtigen Situation kann Politik nicht öffentlich über alles philosophieren, was einem so einfällt." Vorschläge, die nicht zu Ende gedacht seien, und deren Wirkungen nicht bedacht und ohne überzeugende Begründung als der rettende Ausweg bewertet würden, seien kein sinnvoller Beitrag zur Debatte. "Sie sind unverantwortlich."

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte in der ARD: "Wir sind die größte Volkswirtschaft in Europa. Alle schauen auf uns. Und da darf man nicht daher reden wie am heimischen Küchentisch." Die Entlassung Röslers dränge sich fast auf. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte dem Radiosender 104.6 RTL, Rösler schade Deutschland: "Jedes Gequatsche von Herrn Rösler (...) kommt uns teuer zu stehen." Der SPD-Europaabgeordnete Martin Schulz lobte dagegen in der "Leipziger Volkszeitung" den europapolitischen Kurs der Kanzlerin: "Merkel legt sich inzwischen gut für Europa und den Euro ins Zeug. Die FDP fällt ihr aber aus schierer Existenzangst in den Rücken."

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