Trauer, Hass und Wut
TEL AVIV - Zwei Jahre nach dem Libanonkrieg tauschen Israel und die Hisbollah Gefangene und Leichen. „Ich konnte sie kaum anschauen, das sind Dinge, die man gar nicht in Worte fassen kann.“
„Es war wie ein stummer Aufschrei“, beschrieb Rabbi David Meir Druckman die schockierte Reaktion der Angehörigen, als sie die Fernsehbilder von zwei dunklen Särgen der toten israelischen Soldaten sahen.
Nach zwei Jahren des Bangens und Hoffens erfuhren die Familien der beiden israelischen Soldaten Eldad Regev und Ehud Goldwasser, deren Entführung im Juli 2006 den Libanonkrieg auslöste, gestern die traurige Wahrheit. Zwei schlichte schwarze Särge mit den sterblichen Überresten präsentierte ein Führungsmitglied der libanesischen Hisbollah- Miliz nach langem Katzund Mausspiel vor Journalisten am Grenzübergang Rosch Hanikra.
Trügerische Hoffnung
Damit erwies sich die leise Hoffnung der Familien als trügerisch, ihre Söhne könnten vielleicht doch überlebt haben. „Es war schlimm, die Särge zu sehen“, so Zvi Regev, Vater eines der Soldaten. Eine Tante Regevs brach weinend und schreiend zusammen. In die Trauer über den Verlust der jungen Männer, die am letzten Tag ihres Reservedienstes auf einer Patrouille an der israelisch-libanesischen Grenze entführt worden waren, mischten sich auch Hass undWut, insbesondere angesichts der Freudenfeiern im Libanon und im Gazastreifen. Nachbarn schworen Rache an Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah: „Wir werden ihn bekommen, auch wenn es 20 Jahre dauert“, schrie ein Mann erregt. „Es hilft ihm nicht, wenn er sich feige im Bunker versteckt.“
Der Tauschhandel mit der Hisbollah, den der deutsche BND-Agent Gerhard Conrad unter größten Mühen aushandeln konnte (siehe Kasten), war in Israel bis zuletzt umstritten. Zu hoch sei der Preis der Freilassung des libanesischen Top-Terroristen Samir Kuntar, der für den Tod von fünf Israelis verantwortlich sein soll. Er gilt in Israel als Inkarnation des Bösen, seit er 1979 an der Spitze eines Terrorkommandos im Norden Israels einem vierjährigen Mädchen den Kopf zerschmetterte. Dass er nun im Tausch gegen Leichen freigelassen wurde, hält vor allem der israelische Geheimdienst für einen gefährlichen Präzedenzfall, der auch zu weiteren Entführungen ermutigen könnte.
Der Vermittler: „Mister Hisbollah“ vom BND
Auf diesen Tag hatte Gerhard Conrad lange hingearbeitet. Als es gestern Früh am libanesisch-israelischen Grenzübergang Rosch Hanikra („Höhlenkopf“) zur Übergabe von Gefangenen zwischen der Hisbollah und Israel kam, war das nicht zuletzt das Verdienst des deutschen BND-Agenten. Der Mann, dessen Namen offiziell nicht genannt wird, bei dem es sich aber um Conrad handeln dürfte, hat in den vergangenen 18 Monaten eine Mammutaufgabe bewältigt: Zähe Verhandlungen bis tief in die Nacht, ewiges Hin und Herpendeln zwischen Tel Aviv, Beirut und New York sowie frustrierende Rückschläge gehörten zum Alltag des Vermittlers, der BND-intern als „Mister Hisbollah“ bekannt ist.
Die krassen Gegensätze zwischen den Positionen von Hisbollah- Chef Hassan Nasrallah und Israel brachten die Gespräche oft an den Rand des Scheiterns. Conrad – oder wie auch immer der BNDMann wirklich heißt – handelte im Auftrag der Uno, wird dort „Facilitator“ genannt: das ist einer, der schwierige Verhandlungen als „Erleichterer“ führt.
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