„Trauer-Glos“ greift an
BERLIN - Der lange schwelende Konflikt zwischen Wirtschaftsminister und Kanzlerin entlädt sich öffentlich - nicht nur, weil sie Finanzminister Peer Steinbrück demonstrativ vorzieht. Zwischen CSU und CDU knirscht es.
Gegrollt hat er schon eine Weile, jetzt geht er auf Angriff: CSU-Minister Michael Glos beklagt sich offen über Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ein seit langem schwelender persönlicher Konflikt entlädt sich vor Publikum. Doch auch insgesamt knirscht es zwischen den Schwesterparteien.
Immer wieder muss sich der Wirtschaftsminister derzeit rechtfertigen, warum denn von ihm in Zeiten einer Wirtschaftskrise so wenig zu hören sei. Der starke SPD-Finanzminister Peer Steinbrück dagegen ist ständig an der Seite der Kanzlerin, beim Opel-Gipfel, beim Banken-Gipfel, in Washington. Selbst Außenminister Frank-Walter Steinmeier ist in Sachen Wirtschaftskrise derzeit aktiver, etwa bei Terminen mit Auto-Betriebsräten.
Da könne er doch nichts dafür, patzt Glos nun öffentlich: „In einem Orchester bestimmt derjenige vorne am Pult die Einsätze.“ Und da habe die „Dirigentin der Regierung“, spricht Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel „den Einsatz des Wirtschaftsministers wenig gefordert“, so Glos.
"Wir erwarten mehr Verständnis"
Auch beim Thema Steuersenkungen stellt sich der CSU-Mann gegen Merkel und Steinbrück. Er könne deren „Misstrauen gegen den Bürger“ nicht verstehen. Glos selbst hat seit Wochen ein Konjunkturprogramm in der Schublade, das die CDU-Chefin ignoriert. Er kritisierte generell das Verhalten der CDU: Sie komme der CSU viel zu wenig entgegen. Glos: „Wir erwarten in Zukunft mehr Verständnis.“
Auch über Teile der Wirtschaft beklagte sich der Minister: Er fühlt sich von ihnen schlecht informiert. „Noch vor wenigen Wochen haben mir alle Verbände mit Ausnahme der Autoindustrie gesagt, es laufe bei ihnen weiter gut.“
Der Unmut des Müllermeisters aus Prichsenstadt schwelt schon länger. Vergangene Woche hatte er sich schon halblaut über die mangelnde Rückendeckung der Kanzlerin beschwert. In einer Sitzung der CSU-Landesgruppe klagte er, er hätte sich gewünscht, dass er von Merkel eben so schnell in Schutz genommen werde wie etwa der ebenfalls umstrittene SPD-Minister Wolfgang Tiefensee.
Nach Stoibers Flucht musste er unwillig übernehmen
Seine Nerven sind strapaziert, weil auch in den eigenen Reihen kritisiert wird, dass Glos wirklich präsenter sein könnte. Die Opposition verhöhnt ihn als „Trauer-Glos“ und spottet, die CSU könne dankbar sein, wenn sie einfach nichts über den Müllermeister sagt, der eher unwillig nach Stoibers Flucht das Wirtschaftsministerium übernommen hat. Und Merkel zieht Steinbrück sichtlich vor.
Jetzt will Glos Terrain zurückgewinnen. Offensiv betont er seine Nähe zu Merkels Intimfeind Friedrich Merz, hat ihn in einen Beraterstab berufen und neulich demonstrativ die Ausführungen von „meinem Freund Merz“ gelobt. Und jetzt folgte noch die öffentliche Attacke. Womöglich wurde er dazu aus CSU-Reihen durchaus ermuntert: Generell wird der Ton gerade verschärft, gestern in der Steuerdebatte.
Bei diesem Thema machte die CSU gestern ihrem Unmut offen Luft. Landesgruppenchef Peter Ramsauer zeigte sich „verwundert“, dass die CDU nun auch den Weg der CSU beschreite. „Seltsam, dass dieses kongeniale politische Verhalten erst jetzt erfolgt. Wenn das etwas früher gekommen wäre, hätte das vielleicht auch eine positive Wirkung bei der bayerischen Wahl gehabt.“
"Die haben unsere Pläne miesgemacht"
Damals hatte die CDU die Steuersenkungsforderungen als nicht finanzierbar bezeichnet. Ramsauer: „In der Tat ist es kurios, dass vor der Finanzkrise gesagt wird, es sei nicht zu finanzieren, und jetzt, wo die Bedingungen schlechter sind, geht es.“
Noch schärfer war der frühere CSU-Chef Erwin Huber: „Die CDU hat ihre Schwester CSU im Wahlkampf nicht nur alleingelassen, sondern unsere Pläne sogar noch miesgemacht.“ Die CDU will kommende Woche ein „Entlastungsprogramm“ beschließen.
tan