Tödlicher Verkehrsunfall mit Radler in Berlin: Die Verstöße der Botschaften

Der von einem saudischen Diplomaten verursachte tödliche Verkehrsunfall wird wohl nicht geahndet werden. Denn Diplomaten genießen Immunität. Allein in Berlin begehen Angehörige des Diplomatischen Corps zigtausende Vergehen.
von  Lukas Schauer
Der Fahrradfahrer konnte nicht mehr ausweichen, prallte gegen die Tür und verstarb an seinen Verletzungen. (Symbolbild)
Der Fahrradfahrer konnte nicht mehr ausweichen, prallte gegen die Tür und verstarb an seinen Verletzungen. (Symbolbild) © imago/Felix Jason

Berlin - Ein saudischer Diplomat parkt mit seinem Porsche im absoluten Halteverbot. Dann macht er, ohne zu schauen, die Tür seine Autos auf - und trifft einen 55-jährigen Radler, der am Tag danach an seinen Verletzungen stirbt. Der 51-jährige Diplomat aber wird wohl nicht bestraft werden.

Normalerweise würden nach einem solchen Unfall Ermittlungen wegen Verdachts auf fahrlässige Tötung aufgenommen, sagte ein Polizeisprecher. In diesem Fall gebe es aber nur eine Verkehrsunfallermittlung für Versicherungszwecke. Der Diplomat genießt Immunität und kann deswegen nicht belangt werden, er steht wie alle Mitglieder des Diplomatischen Corps unter besonderm Schutz, um nicht aus politischen Gründen belangt werden zu können.

Das Auswärtige Amt hat nun zwar die Botschaft Saudi-Arabiens um eine Stellungnahme gebeten, erst dann könne über "gesandschaftsrechtliche Schritte" nachgedacht werden. Im schlimmsten Fall wird der Diplomat einseitig zur "persona non grata" erklärt und muss Deutschland innerhalb einer bestimmten Frist verlassen.

Auch in München gibt es viele konsularische Vertretungen

Nun ist ein tödlicher Unfall, bei dem ein Diplomat beteiligt ist, sicherlich die Ausnahme. Doch gerade in Berlin kommt es jedes Jahr zu tausenden Verkehrsverstößen von Angehörigen der Botschaften, die alle nicht belangt werden (dürfen). Allein 2016 wurden nach Angaben des Auswärtigen Amtes 22.880 Delikte gezählt, 2015 waren es sogar 24.114 Vergehen mit Autos, die einen "CD" oder "CC"-Aufkleber (für "Corps Diplomatique" und "Corps Consulaire")  oder ein entsprechendes Nummernschild hatten. Bundesweit dürften die Zahlen aber noch deutlich höher liegen, auch in München gibt es beispielsweise viele konsularische Vertretungen, deren Mitarbeiter diplomatischen Schutz genießen. Auf Anfrage teilte das KVR mit, dass es für München keine Zahlen gibt. "Etwaige Verfahrenseinstellungen werden statistisch nicht erfasst", so die Pressestelle des KVR.

In Berlin beschäftigen die Ermittlungen gegen Angehörige des Diplomatischen Corps auch regelmäßig das Abgeordnetenhaus. Der CDU-Politiker Peter Trapp wollte im Februar 2016 wissen, wie viele Autos von Botschaften generell in der Stadt unterwegs sind und wie oft diese in Unfälle verwickelt waren.

Saudi-Arabiens Diplomaten fallen am meisten auf

Die Antwort der Verwaltung ist ziemlich aufschlussreich. Demnach fuhren 2015 allein in der Hauptstadt 2.786 Fahrzeuge mit Sonderkennzeichen. 260 Autos hat allein die US-Botschaft, gefolgt von Russland (164) und China (111). Saudi-Arabien hatte 97 Fahrzeuge gemeldet. Unter den oben genannten 24.114 Vergehen waren 79 Verkehrsunfälle, bei 25 davon kamen Personen zu Schaden. In 50 Fällen kam es zur Unfallflucht. Enorm auch die Zahl der (natürlich nur fiktiven) Summe der Bußgelder: Sie betrug im Jahr 2015 399.385 Euro, 2014 waren es über 400.000 Euro. Meistens fallen die Diplomatenfahrzeuge wegen Parkvergehen und Geschwindigkeitsverstößen auf.

Der saudi-arabische Diplomat stand, als er die Tür aufriss, ebenfalls im Halteverbot. Und er ist damit nicht allein. Aus der Antwort geht hervor, dass die Botschaft Saudi-Arabiens am häufigsten betroffen ist. Danach folgen Russland, Ägypten, China, Litauen und die USA.

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