Tödlicher Luftangriff in Afghanistan soll untersucht werden

KABUL - Dutzende Menschen starben in einer gewaltigen Explosion in Kundus. Was ist genau geschehen vor der Flugzeug-Attacke, die von der Bundeswehr angefordert worden war? Das wollen die Nato, UN und afghanische Behörden ermitteln.
Nach einem Nato-Luftangriff in der Provinz Kundus, bei dem mehr als 56 Menschen ums Leben kamen, hat der afghanische Präsident Hamid Karsai eine Untersuchung angekündigt. Karsai sagte, er werde den Zwischenfall von einer Kommission untersuchen lassen. «Angriffe auf Zivilpersonen sind für uns inakzeptabel», sagte er.
Es war das erste Mal überhaupt, dass die Bundeswehr bei ihrem Afghanistan-Einsatz Luftunterstützung anforderte. Daraufhin hatte ein US-Kampfflugzeug zwei Tanklastwagen beschossen, die zuvor von Taliban entführt worden waren. Die LKW explodierten und rissen zahlreiche Menschen in den Tod. Karsai sagte, es seien «rund 90 Menschen getötet oder verletzt» worden, die Bundeswehr sprach von mehr als 50 getöteten Aufständischen.
«Ein ausgesprochen besonnener Offizier»
Ein Bundeswehr-Sprecher in Berlin wies darauf hin, dass es sich bei dem Bundeswehr-Kommandanten in Kundus um «einen ausgesprochen besonnenen Offizier» handele. Er sei «alles andere als ein Hasardeur». Der Angriff in der Nacht galt der Zerstörung zweier gekaperter Tanklastzüge, die von den Taliban für Selbstmordanschläge hätten genutzt werden können. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) werde sich zunächst nicht persönlich äußern, weil das «Informationsbild» noch ungesichert sei. Auf die Frage, ob die Bundeswehr an ihrem Sprachgebrauch festhalten wolle, wonach in Afghanistan kein Krieg herrsche, sagte der Sprecher: «Es handelt sich um einen Stabilisierungseinsatz, zugegeben um einen recht robusten Stabilisierungseinsatz, der Kampfhandlungen miteinschließt.»
Untersuchungskommission eingerichtet
Auch die UN-Mission in Kabul zeigte sich über mögliche zivile Opfer besorgt und will Ermittler nach Kundus schicken. Der stellvertretende Leiter der UN-Mission in Kabul, Peter Galbraith, erklärte, ein UN-Team werde den Fall untersuchen. «Es muss geprüft werden, was passiert ist und warum ein Luftangriff in einer Situation ausgeführt wurde, in der nicht mit Gewissheit entschieden werden konnte, ob Zivilpersonen beteiligt sind», sagte er. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen verwies auf eine laufende Untersuchung des Angriffs. «Es besteht auch die Möglichkeit ziviler Opfer, aber das ist noch nicht klar», sagte er in Brüssel. «Aber wie wir alle wissen, können in Konflikten wie diesem natürlich Fehler passieren.» Die Internationale Schutztruppe Isaf und afghanische Stellen richteten eine Untersuchungskommission ein. «Die Isaf bedauert jeden unnötigen Verlust von Menschenleben und ist zutiefst besorgt über das Leid, das diese Aktion unseren afghanischen Freunden bereitet haben könnte», sagte Isaf-Sprecher Eric Tremblay. EU-Chefdiplomat Javier Solana sagte: «Es tut mir für die Familien der Menschen, die bei der Explosion der Benzintankwagen getötet wurden, sehr leid.» (nz/AP/dpa)