Todesangst vor Putins Bomben

Krieg am Kaukasus: In München bangen Georgier um ihre Familien. Die Studentin Maia K. ist auf Familienbesuch in Tiflis, sitzt mit ihrem Sohn (3) im Krisengebiet fest. Ihr Mann Zaza muss in München ausharren Auch Löwen-Star Ghvinianidze bangt um seine Eltern in Georgien.
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Zaza K. (28) mit einem Foto von sich und seiner Frau Maia. Im September wollte er ebenfalls nach Georgien reisen.
Daniel von Loeper 3 Zaza K. (28) mit einem Foto von sich und seiner Frau Maia. Im September wollte er ebenfalls nach Georgien reisen.
Die georgische Stadt Gori nach einem russischen Bombenangriff.
dpa 3 Die georgische Stadt Gori nach einem russischen Bombenangriff.
Mate Ghvinianidze (r.) hier mit Löwen-Doc Willi Widenmayer.
az 3 Mate Ghvinianidze (r.) hier mit Löwen-Doc Willi Widenmayer.

MÜNCHEN/TIFLIS - Krieg am Kaukasus: In München bangen Georgier um ihre Familien. Die Studentin Maia K. ist auf Familienbesuch in Tiflis, sitzt mit ihrem Sohn (3) im Krisengebiet fest. Ihr Mann Zaza muss in München ausharren Auch Löwen-Star Ghvinianidze bangt um seine Eltern in Georgien.

Es sollte ein Sommerurlaub bei der Familie werden – jetzt bangt Maia Z. um ihr Leben und das ihres Kindes. Die Georgierin, die in München studiert, hängt mit ihrem dreijährigen Sohn Luca in Tiflis fest. „Hier sind alle in Panik“, sagt sie zur AZ. Ihr Mann Zaza sitzt in München ratlos vor dem Fernseher, voller Sorge um seine Familie. „Ich habe solche Angst um sie. Die telefonische Verbindung ist schlecht. Jeden Tag höre ich andere Nachrichten“, sagt er.

Seit dem 1. August ist die Studentin dort. Sechs Wochen wollte sie daheim bei ihrer Schwester sein, den kleinen Luca hat die stolze Mama auch mitgenommen. Jetzt hört sie die Bomben nahe der Hauptstadt fallen. „Drei Kilometer von uns entfernt ging eine Bombe runter. Wir stehen alle unter Schock. Viele Leute, die wir kannten, viele junge Menschen sind tot. Ich würde am liebsten weglaufen – aber ich weiß nicht wohin. Hier gibt es keinen sicheren Platz“, erzählt sie. Viele Großfamilien in Tiflis sind zurzeit getrennt, während der Ferienzeit machen viele Urlaub in Ferienhäusern außerhalb der Stadt. Die vergangene Nacht hat Maia in voller Montur geschlafen, die Tasche für den Kleinen ist auch gepackt – für den Fall, dass sie plötzlich dieWohnung verlassen müssen.

Georgier aus ganz Bayern

Der kleine Platz vor der Georgisch- Orthodoxen Kirche in München-Ludwigsfeld ist voll von Menschen. Georgier aus ganz Bayern sind gekommen, um sich über ihre Familien auszutauschen, zu diskutieren – und zum gemeinsamen Gebet. George Grigolia ist Chirurg im Klinikum Großhadern. Mit seiner Familie lebt der 32-Jährige seit acht Jahren in München. „Georgien strebt nach Unabhängigkeit und Freiheit, Russland will das nicht. Russische Truppen bombardieren die Zivilbevölkerung, töten Schwangere und Kinder“, sagt er. Um Verbundenheit mit seiner Heimat zu demonstrieren, trägt er georgische Tracht.

Grigolia hat Angst um seine Eltern, seine Geschwister, seine Freunde in Georgien. „Ich rufe jeden Tag an, ich will wissen, wie es meiner Familie geht. Mein Cousin wurde bei einem Bombenangriff verwundet. Die Welt muss aufwachen, Europa muss etwas tun, muss diesen Krieg stoppen.“ Heute wollen die Georgier in München vor der Russischen Botschaft demonstrieren. Irina Tambergweiß nicht genau, ob ihre Familie noch lebt. Die Münchner Drehbuchautorin, deren gesamte Verwandtschaft in Georgien ist, versucht täglich, sich über die Lage ihrer Angehörigen zu informieren. „Manchmal bekomme ich aber keine Verbindung. Ich habe Angst. Mein Vater ist schon über 50, er hat gesagt, wenn es sein muss, zieht er in den Krieg“, erzählt Tamberg. Ihre Elternwohnen in Tiflis, wo am Morgen eine Fabrik bombardiert wurde. „Dort haben sie schon Jungen aus der Nachbarschaft zwischen 17 und 25 mitgenommen.“ Am liebsten würde sie in Georgien ihren Liebsten beistehen. „Aber ich hab eine kleine Tochter, das geht nicht.“

Momentan bleibt nichts als Warten

Die Flugverbindungen nach Tiflis sind ohnehin gecancelt. Auch Zaza K. bleibt nichts als Warten. Eigentlich wollte er im September nachkommen, noch gemeinsam mit seiner Frau und dem Kleinen ein paar Tage Urlaub machen. Würde er jetzt einreisen, würde der 28-Jährigewohl sofort eingezogen, die Generalmobilmachung hat Georgiens Präsident Saakaschwili schon am Freitag ausgerufen. Immer wieder grübelt der verzweifelte Vater, ob er etwas hätte verhindern können. „Ich habe noch gesagt, fahren wir lieber später zusammen. Ich hatte kein gutes Gefühl, dass sie ohne mich losfährt“, sagt er. „Aber dass es so plötzlich Krieg geben würde, das hat doch von uns niemand geahnt.“

Löwen-Star bangtumseine Eltern

Russische Bombenangriffe auf Georgien, schwere Artilleriegefechte, tausende Tote: Der Löwen-Star Mate Ghvinianidze (21) ist zurzeit mit den Gedanken in seiner Heimat. „Es ist Krieg in meinem geliebten Heimatland, das ist alles so traurig. Überall Tote. Es ist bedrückend, wenn man im Fernsehen sieht, wie die Leichenwagen auf der Autobahn die Toten abholen“, sagte der geknickte georgische Nationalspieler vor dem Pokalspiel des TSV 1860 beim Fünftligisten Neustrelitz (das die Löwen mit 2:0 gewannen). „Ich hoffe, es ist bald wieder vorbei.“

Doch noch bangt Mate Ghvinianidze – um das Leben seiner Eltern. „Ich habe richtige Angst, ich mache mir große Sorgen um meine Familie, um meine Freunde. Ich hasse Krieg.“ Noch sind seine Eltern aber in Sicherheit.

Bevor der Krieg begann, ist seine Familie von Tiflis nach Wani geflüchtet – in das Ferienhaus von Mate Ghvinianidze. Der Georgier erklärt der AZ: „Das ist 280 Kilometer von Tiflis – in den Bergen. Da ist es noch ruhig.“ Noch. Ghvinianidze ist täglich mit seinen Eltern telefonisch in Kontakt – noch stehen die Leitungen in die Heimat. Nach Tiflis wollen Mates Eltern jedoch vorerst nicht zurückkehren. Der Verteidiger: „Die Stadt ist noch nicht zu, aber es ist jetzt viel zu gefährlich, zurückzukehren. Am liebsten würde ich sie jetzt sofort nach München holen. Bei mir wären sie in Sicherheit.“ cl,iko, ta, og

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