Tibet: Schwere Ausschreitungen
Die Lage in Tibet spitzt sich zu: In Lhasa ist es zu heftigen Kämpfen zwischen Polizei und Demonstranten gekommen. Während chinesische Truppen Klöster umstellten, schnitten sich Mönche aus Protest die Pulsadern auf.
Nach mehrtägigen Protesten von Mönchen gegen die chinesische Herrschaft in Tibet ist es am Freitag im Zentrum der tibetischen Hauptstadt Lhasa zu schweren Ausschreitungen gekommen. Augenzeugen berichteten, Demonstranten hätten vor dem Jokhang-Tempel Polizei- und Feuerwehrwagen angegriffen, umgestürzt und in Brand gesteckt. Feuerwehrleute und Polizisten seien verprügelt worden. Die Demonstranten hätten die chinesische Flagge auf dem Platz vor dem Tempel eingeholt und mit Füßen auf ihr herumgetrampelt.
«Es herrscht Chaos», sagte eine Augenzeugin. «Die Menschen hatten Stöcke und Steine in den Händen.» Die Polizisten hätten vor der aufgebrachten Menge zurückweichen müssen. Ein Großaufgebot von Sicherheitskräften sei mobilisiert worden, darunter auch Polizisten, die spezielle Ausrüstung gegen gewalttätige Demonstranten trugen. Zu Ausschreitungen sei es auch auf dem Platz vor dem Potalla-Palast gekommen.
Berichte über Schüsse
Nach Berichten von US-Bürgern seien am Freitag auch Schüsse gefallen. Dies erklärte die US-Botschaft in Peking. Sie gab eine E-Mail-Warnung an US-Bürger vor einem Aufenthalt in Lhasa heraus. Auch die chinesischen Staatsmedien berichten über die Vorgänge. Nach offiziellen Angaben sei «eine Reihe von Geschäften in Brand gesetzt worden». Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete in einer kurzen Nachricht von «Gewalt im Zentrum von Lhasa».
Im Zuge der sich ausweitenden Proteste hatten sich zuvor zwei Mönche in Lhasa bei einem Selbstmordversuch die Pulsadern aufgeschnitten, wie der US-Radiosender Radio Free Asia (RFA) berichtete. Die beiden buddhistischen Mönche aus dem Drepung-Kloster seien in «kritischem Zustand». In einem anderen Kloster sollen Mönche in Hungerstreik getreten sein. Drei große Klöster in Lhasa seien von starken Einheiten der Polizei und der Armee umstellt und für Touristen gesperrt worden.
Freilassung verhafteter Demonstranten gefordert
Nach Massenfestnahmen von Tibetern in China, Indien und Nepal in den vergangenen Tagen forderte die Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch die sofortige Freilassung der Verhafteten. Statt Demonstranten festzunehmen, sollten die Regierungen gemeinsam mit ihnen nach einer Lösung der Probleme suchen, erklärte die Organisation mit Sitz in New York am Freitag. Friedliche Demonstrationen sollten erlaubt und nicht gewaltsam aufgelöst werden.
Außer in China hatten zahlreiche Tibeter auch in Indien und Nepal in den vergangenen Tagen gegen die chinesische Besetzung ihrer Heimat und gegen die bevorstehenden Olympischen Spiele in Peking protestiert. Das scharfe Vorgehen gegen die Proteste in den Demokratien Indien und Nepal sei unüblich, sagte Sophie Richardson von Human Rights Watch. Möglicherweise übe China Druck auf diese Nachbarländer aus, «Tibeter zum Schweigen zu bringen».
Protestmarsch-Teilnehmer in Indien verurteilt
Die Organisatoren eines von der Polizei in Nordindien gestoppten Protestmarsches von Exil-Tibetern teilten am Freitag mit, die rund 100 Teilnehmer seien zu zwei Wochen Gewahrsam verurteilt worden. Sie hätten sich geweigert, eine Vereinbarung zu unterzeichnen, wonach sie sich in den kommenden sechs Monaten nicht an Protesten beteiligen würden. Ziel des Protestmarsches nach Tibet ist nach Angaben der Organisatoren gewesen, «die tibetische Freiheitsbewegung wieder zu beleben und die chinesische Besatzung Tibets zu bekämpfen». Der Tibetische Jugend-Kongress hatte zu Beginn des Marsches am Montag im nordindischen Dharamsala kritisiert, die chinesische Regierung nutze Olympia als Plattform, um die Besetzung Tibets zu legitimieren. Rund 130.000 Tibeter leben im ERxil, hauptsächlich in den chinesischen Nachbarländern Indien, Nepal und Bhutan. (dpa/AP)
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