Thema Guido Westerwelle: Wie gefährlich ist Kritik?
BERLIN - Wegen der anhaltenden Vorwürfe gegen Außenminister Guido Westerwelle und seine Reisepraxis sieht die FDP die Demokratie beschädigt. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigt ihren Vize, inhaltlich jedenfalls.
Keine Scheu vor großen Worten: FDP-Generalsekretär Christian Lindner hat die Kritik an Parteichef Guido Westerwelle als Gefahr für die Demokratie eingestuft. Die Debatte um den Außenminister und besonders seine Reisepraxis kocht inzwischen so hoch, dass sich nun auch Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel eingeschaltet hat – auf Seiten ihres Vizes.
Lindner sprach von einer Diffamierungskampagne gegen Westerwelle, die pure Rache für seinen Tabubruch bei Hartz IV sei. „Das ist für viele unbequem.“ Die Vorwürfe, dass Westerwelle seinen Lebenspartner, Verwandte und deren Geschäftsfreunde bei seinen Auslandsreisen begünstige, seien als Retourkutsche zu verstehen. Der FDP-General: „Wir müssen aufpassen, dass die Demokratie insgesamt nicht Schaden nimmt durch solche Vorwürfe, die da konstruiert werden.“
Inhaltlich stärkte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel Westerwelle den Rücken: Sie sei „überzeugt, dass er in Übereinstimmung mit den Regeln und Usancen vorgegangen ist und vorgehen wird“, ließ sie Vize-Regierungssprecherin Sabine Heimbach ausrichten. Über die Zusammensetzung der Delegation entscheide jeder Minister selber. Laut „Financial Times“ ist im Auswärtigen Amt aktuell der dritte beamtete Staatssekretär für die Zusammenstellung der Reisegruppen zuständig: Martin Biesel, von Westerwelle ins Ministerium geholt und mit kurzen Unterbrechungen seit 1994 dessen Büroleiter. Ministeriumssprecher Stefan Bredohl sprach von „eingespielten Regeln“, die eingehalten worden seien.
Westerwelle absolvierte gestern die letzte Station seiner Südamerika-Reise: Er informierte sich in Brasilien über anstehende Sport-Großereignisse wie die Fußball-WM 2014, sein Partner Michael Mronz besuchte ein Kinderhilfsprojekt. Seine Reisepraxis hatte der Minister schon zuvor offensiv verteidigt.
Andere Delegationsmitglieder sind entsetzt über die Reise-Debatte: „Für uns ist das eine Katastrophe“, so EADS-Vorstand Stefan Zoller. „Wir fahren hier eine Woche herum und führen hochkarätige Gespräche.“ Berichtet werde nur über die Debatte, nicht über die Ergebnisse.
Die Antwort der Bürger ist deutlich: Laut dem neuen Politbarometer wünscht sich eine Mehrheit die große Koalition zurück. Nur noch 27 Prozent nennen Schwarz-Gelb als Wunschbündnis. Die Beliebtheitswerte von Westerwelle selbst verschlechtern sich im Vergleich zu Februar nochmal.
Die Opposition lässt nicht locker. Die Linke wertete Merkels Einlassung nicht als Rückendeckung, sondern erste Absetzbewegung: Sie mache deutlich, dass sie damit nichts zu tun habe. Und Gernot Erler (SPD) erklärte zu Lindners Äußerungen: „Nicht die Kritiker fügen dem Ansehen des Gemeinwesens Schaden zu, sondern diejenigen, die Anlass zur Kritik geben.“ tan