Terrorgefahr: Der Hilferuf eines BKA-Beamten

Andy Neumann, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter im BKA, über die Ausstattung der Polizei, Anschlagsgefahr und Salafisten.
von  Timo Lokoschat
Seit Monaten im Dauereinsatz: Polizeibeamte in Deutschland.
Seit Monaten im Dauereinsatz: Polizeibeamte in Deutschland. © dpa

Während die Politik noch über richtige Wege in und aus der Flüchtlingskrise berät, steht die Polizei seit Monaten unter Dauerdruck, leistet zigtausend Überstunden, um das auszubügeln, was an anderer Stelle versäumt wird. Andy Neumann, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter im BKA, hat jetzt im „Spiegel“ seinem Ärger Luft gemacht.

Neumann über ...

Abgesagte Veranstaltungen: „Solche Entscheidungen werden nüchtern und sachlich gefällt. Das Dilemma ist, dass im Nachgang großer Terrorlagen die Bereitschaft von Verantwortlichen, Restrisiken zu tragen, gegen Null geht. Ab einer bestimmten Schwelle haben Sie keine Wahl mehr. Sie setzen also eine Riesenmaschinerie in Bewegung, selbst wenn es am Ende grundlos war.

Die Frage, wo diese Schwelle anfängt, gehört zu den größten Herausforderungen, der sich polizeiliche Entscheidungsträger stellen müssen. Ich beneide da niemanden, glaube aber, dass wir wieder lernen müssen, mehr Risiko auszuhalten.“

Terrorismus und Flüchtlinge: „Ich denke, man sollte den Fokus jetzt nicht auf die Flüchtlingsdebatte lenken. Wir haben bereits ein gewaltbereites Potenzial von etwa 1000 Personen im eigenen Land, das uns beschäftigt. Von den aus Deutschland ausgereisten und zum Teil bereits zurückgekehrten Dschihadisten ganz zu schweigen. Die Anschläge in Paris zum Beispiel scheinen ja auch wesentlich auf die Planung und Ausführung inländischer Extremisten zurückzugehen.“

Dann bekomme ich Schnappatmung

Die Ausstattung der Polizei: „Technisch stecken wir voll im Mittelalter. Das Internet fällt für die Polizei in vielen Bundesländern unter die Rubrik ,Lieber nicht anfassen, wer weiß, was drin ist’. Bundesweit einheitliche Dateisysteme zur Fallbearbeitung werde ich nicht mehr erleben.

Und Gott bewahre uns vor dem Fall, bei dem Menschen, ähnlich wie nach dem Anschlag in Boston, ihre Bilder oder Videos schnell an die zuständige Dienststelle versenden wollen. Das wird in ganz großem Stil scheitern. Wenn ich dann lese, dass der Bundestag 210 Stellen streicht, die das BKA einfordert, bekomme ich Schnappatmung. Seit Jahren sind wir der Ausputzer für alles, was gesellschaftlich schiefläuft. Aber ausreichende Mittel bekommen wir nie.“

Nachwuchskräfte: „Gute junge Leute für den Polizeidienst zu gewinnen, wird jedes Jahr schwerer. Mit dem Ergebnis, dass die Einstellungsvoraussetzungen fast überall heruntergeschraubt werden, was an sich schon eine fatale Entwicklung ist. Dass aber selbst dort, wo verstärkt wird, die Justiz auf der Strecke bleibt, ist unglaublich kurzsichtig. Die Polizei arbeitet doch nicht für den Mülleimer.

Bereits die massiv gestiegene Anzahl der Verfahren beim Generalbundesanwalt hat klargemacht, dass natürlich auch die Justiz unbedingt Verstärkung braucht.“

Die Anschlagsgefahr in Deutschland: „Sie erhöht sich mit jedem Jugendlichen, der auf salafistische Bauernfänger hereinfällt, mit jeder Rückkehr von Dschihadisten aus Kriegsgebieten, mit jeder Moschee, in der nicht der Islam, sondern der Terror gepredigt wird.“

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