Terrorakt von Orlando: Täter nicht Teil eines Netzwerks
Der Attentäter von Orlando hat sich allem Anschein nach selber radikalisiert. Anzeichen für ein internationales Netzwerk gibt es nicht. Trotzdem gießt das Massaker Öl in das Feuer des US-Wahlkampfs.
Orlando - Der schlimmste Terrorangriff in den USA seit dem 11. September 2001 geht nach Ermittlungen des FBI nicht auf ein internationales Netzwerk zurück. Das sagten US-Präsident Barack Obama und FBI-Direktor James Comey am Montag.
Comey zeichneten eine sehr verworrene Motivlage des Attentäters, der am Sonntag 49 Menschen getötet hatte. Der Schütze habe sich während der Attacke in drei kurzen Telefonaten sowohl zum Islamischen Staat (IS) bekannt als auch zu den Attentätern des Boston-Marathons und zur Al-Nusra-Front. Vor einigen Jahren habe er gesagt, er sympathisiere mit der Hisbollah und mit Al-Kaida.
Diese Organisationen rivalisieren, die Boston-Attentäter haben mit dem IS nichts zu tun. Comey sagte, die Angaben passten nicht zueinander. Er werde dem Attentäter außerdem nicht den Gefallen tun, dessen Namen auszusprechen.
Gewalttätig und psychisch labil
Omar Mateen (29), ein US-Bürger mit afghanischen Eltern, hatte in der Nacht zum Sonntag in einem Club für Homosexuelle in Orlando 49 Menschen getötet und 53 verletzt, bevor er von der Polizei erschossen wurde. Von den Verletzten waren 5 am Montag noch in ernstem Zustand. Unter den Opfern sind sehr viele Latinos. Auch drei Mexikaner waren unter den Toten.
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Mateen arbeitete für eine Sicherheitsfirma in Florida. Seine 2011 von ihm geschiedene Ex-Frau sagte, er sei gewalttätig und psychisch labil gewesen.
Obama und Comey sagten, Orlando sei nicht Teil eines größeren Terrorplans gewesen. Beide sagten aber, es gebe Anzeichen, dass der Täter sich radikalisiert habe. Mateen sei von verschiedenen Quellen über das Internet extremistisch inspiriert worden. Es sei extrem schwierig, jemanden vor einem Anschlag ausfindig zu machen, der sich selbst radikalisiere.
Der IS-Radiosenders Al-Bajan und eine IS-nahe Agentur hatten am Sonntag behauptet, Mateen sei ein Kämpfer der Terrormiliz gewesen.
Obama sagte, der Angriff zeige, dass islamistische und extremistische Online-Propaganda genauso bekämpft werden müsse wie Terroristen im Ausland.
Trump holt zum Rundumschlag aus
Fünf Monate vor der Präsidentschaftswahl wurde die Tat sofort Gegenstand des erbitterten Wahlkampfs. Sie wird die schon jetzt heftige Auseinandersetzung der politischen Lager massiv verschärfen.
Der republikanische Präsidentschaftsbewerber Donald Trump nutzte das Massaker am Montag, um für seine Idee eines abgeschotteten Landes zu werben.
Obwohl der Attentäter in den USA geboren wurde, sagte Trump: "Wir können nicht weiterhin Tausenden und Abertausenden Menschen erlauben, in unser Land zu strömen, von denen viele das gleiche Gedankengut haben, wie dieser brutale Killer." Mit Blick auf in die USA kommenden Flüchtlinge aus Syrien sprach Trump von einer "besseren, größeren Version des Trojanischen Pferdes".
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US-Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton erinnerte die Amerikaner an den Geist von 2001, den Zusammenhalt nach den Terrorangriffen in New York und Washington. Alle politischen Kräfte hätten gemeinsam nach Lösungen gesucht, unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit.
"Präsident (George W.) Bush ging nur sechs Tage nach den Angriffen in ein muslimisches Zentrum", sagte Clinton. Die amerikanischen Muslime müssten einbezogen werden in den Kampf gegen den Terror.
Trump hatte Obama zuvor zum Rücktritt aufgefordert. Dieser habe in einer Stellungnahme nicht die Worte "radikaler Islamismus" benutzt. Trump setzte seine Forderungen ungeachtet noch laufender Ermittlungen und anderer Erkenntnisse der Ermittler bereits sehr früh am Sonntag ab und wiederholte sie am Montag. Er unterstellte Obama indirekt, mit Terrorismus zu sympathisieren.
Clinton fordert strengeres Waffengesetz
Das Massaker heizte auch die Debatte über schärfere Waffengesetze weiter an. Mateen, der vor einigen Jahren mehrfach vom FBI überprüft worden war, hatte kurz vor der Tat legal ein Gewehr und eine Pistole erworben. Militärische Schutzkleidung wurde ihm dagegen verwehrt.
Clinton sprach sich erneut für ein strengeres Waffengesetz aus. Zwar hätten gesetzestreue Bürger ein Recht, eine Waffe zu tragen, sagte Clinton CNN. "Aber wir können Maßnahmen ergreifen, damit Waffen nicht in die Hände von Kriminellen und Terroristen fallen."
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Trump forderte Clinton auf, aus dem Rennen um das Weiße Haus auszusteigen, weil sie die Wörter "radikaler Islam" ebenfalls nicht verwendet habe.
Clinton sagte am Montag NBC, sie habe kein Problem, islamischen Terrorismus beim Namen zu nennen, aber darum gehe es gar nicht. "Ich habe oft gesagt, dass wir von Terroristen bedroht werden, die den Islam nutzen, um Menschen abzuschlachten. (...) Wir müssen und werden radikalen dschihadistischen Terror bekämpfen."
Der Täter hatte gegen 2.00 Uhr kurz vor der Schließung des Nachtclubs "Pulse" das Feuer auf die Besucher eröffnet. Etwa drei Stunden später wurde der mit einem Gewehr vom Typ AR-15 und einer Handfeuerwaffe ausgerüstete Mann in einem Feuergefecht mit elf Polizisten getötet.