Tanz bis in den Morgen in Kreuth

Party-Stimmung wie selten bei der CSU in Kreuth. Nur eine fransige Fahne stört. Horst Seehofer stört sich ausgerechnet an der weiß-blauen Fahne, die in der klirrenden Kälte schlapp am Mast hängt.
von  Abendzeitung
Pose der Stärke mit dem Obersten der EU: Seehofer (r.) und Ramsauer (l.) mit José Maria Barroso (Mitte). Fotos: ddp, dpa
Pose der Stärke mit dem Obersten der EU: Seehofer (r.) und Ramsauer (l.) mit José Maria Barroso (Mitte). Fotos: ddp, dpa © az

KREUTH - Party-Stimmung wie selten bei der CSU in Kreuth. Nur eine fransige Fahne stört. Horst Seehofer stört sich ausgerechnet an der weiß-blauen Fahne, die in der klirrenden Kälte schlapp am Mast hängt.

Offensichtlich hat Horst Seehofer in dieser Nacht in Kreuth zu wenig geschlafen. Als er morgens ins Freie tritt, zeigt sich das Tal von seiner schönsten Seite. Über den glitzernden Schnee zieht sich ein strahlendblauer Himmel. Doch dem Ministerpräsidenten gefällt das Bayern-Bild, das sich ihm bietet, ganz und gar nicht. Er stört sich ausgerechnet an der weiß-blauen Fahne, die in der klirrenden Kälte schlapp am Mast hängt.

Und das ausgerechnet jetzt, wo jeden Moment Stargast José Manuel Barroso, der oberste Europäer, vorfährt. „Die schaut ja aus, als ob sie auf Halbmast hängt“, regt sich Seehofer auf und entdeckt auch noch, dass sie recht ausgefranst sei. Sofort ruft er einen Mitarbeiter, der die Fahne in Ordnung bringen soll. Doch die hängt in Kreuth immer so, kann nicht höher gehisst und auf die Schnelle auch nicht ersetzt werden. „Das ist nicht First Class“, bemängelt er und ordert: Nächste Woche, wenn die Landtagsfraktion nach Kreuth kommt, muss eine ordentliche Fahne hier hängen.

José Manuel Barroso fällt die Fahne nicht auf, als er in Kreuth vorfährt. Er hat nur die Gas-Krise im Kopf und muss um zwölf Uhr schon wieder mit Moskau telefonieren. Unten im Keller sitzt Edmund Stoiber natürlich in der ersten Reihe, direkt gegenüber von Barroso. Ex-CSU-Chef Theo Waigel hat bescheiden rechts außen Platz genommen. Landesgruppenchef Peter Ramsauer und Seehofer machen Barroso mal wieder klar, das die CSU gegen eine Mitgliedschaft der Türkei ist.

Waigel und Glück wollen sich querlegen

Den lässt das ebenso kalt wie Seehofers Vorstoß für Volksentscheide über EU-Themen. CDU und SPD sind sowieso dagegen, auch CSU-intern bläst dem Parteichef hier der Wind ins Gesicht. Waigel warnte: Plebiszite hätten alle wichtigen Entscheidungen der Nachkriegszeit verhindert. Er und Alois Glück wollen sich querlegen.

Alle sind ein bisschen blass um die Nase. Der gesellige Abend hat bis in den Morgen gedauert. Es wurde bis drei Uhr wild getanzt. „So gut war die Stimmung noch nie“, hieß es. Ausgerechnet Stoiber hatte etwas getan, worüber sich die Abgeordneten den Mund zerreißen. Um 23 Uhr setzte er sich demonstrativ an den Tisch einer jungen Bundestagsabgeordneten, zu der ihm seit seiner Berlin-Flucht besondere Bande nachgesagt werden. „Das hätte ich an seiner Stelle nie getan“, lästert ein CSU-Spitzenpolitiker.

Seehofer und Ramsauer ist das egal. Sie lassen sich zum Abschluss der Klausur zusammen mit Barroso bei Sternekoch Christian Jürgens im Hotel Überfahrt mit bayerischen Schmankerln verwöhnen. So schön kann Kreuth enden – trotz zerfledderter Fahne.

Angela Böhm

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