Syrien: Waffenruhe mit Unterbrechungen
In Syrien droht ein weiterer Friedensversuch zu scheitern. Die geplante Waffenruhe wurde nach weniger als drei Stunden verletzt. Doch Friedensvermittler Brahimi gibt sich nicht geschlagen.
Istanbul – Vollmundige Versprechungen des Regimes wie vor
einem Jahr gab es diesmal nicht. Damals hatte Syriens Präsident
Baschar al-Assad vor dem wichtigsten islamischen Feiertag einen Abzug
des Militärs aus den umkämpften Städten angekündigt, alle politischen
Gefangenen sollten freikommen, internationale Beobachter einreisen
dürfen. Das war 2011. Damals währten die Proteste gegen das Regime
seit gut sieben Monaten – mehr als 3000 Menschen hatte der Konflikt
bis dahin das Leben gekostet.
Ein Jahr später ist heute die Zahl der Toten auf mehr als 30 000
gestiegen. Die Krise hat sich ausgeweitet, ist blutiger geworden. Es
gibt keine sicheren Gebiete mehr, Militäroperationen gibt es im
ganzen Land. Immer wieder sprengen sich Selbstmordattentäter in die
Luft. An der syrisch-türkischen Grenze fliegen Geschosse hin und her.
Mit Lakhdar Brahimi gibt es bereits den zweiten Syrienvermittler
von UN und Arabischer Liga. Der erste, Kofi Annan, gab nach fünf
Monaten vergeblicher Friedensbemühungen frustriert auf. Brahimi
dämpfte von Anfang an Hoffnungen auf eine schnelle Lösung. Deshalb
fing er auch jetzt, bei seiner ersten Initiative, klein an: Er rang
den Konfliktparteien einen Minikompromiss ab – eine viertägige
Waffenruhe zum islamischen Opferfest. Doch schon daran scheint der
78-jährige Algerier, der schon in vielen Konflikten vermittelt hat,
zu scheitern.
Denn friedlich blieb es am Freitag keine drei Stunden. Während
sich Präsident Assad zum Eid al-Adha entspannt in einer Moschee
zeigte, kam die erste Meldung der syrischen Menschenrechtsbeobachter
über den „ersten Verstoß“ gegen die Waffenruhe. In der Provinz Idlib
sei es zu massiven Zusammenstößen zwischen Armee und Rebellen,
gekommen – unter den Kämpfern: die radikal-islamische Al-Nusra-Front,
die schon vor der Feuerpause mitgeteilt hatte, für sie gelte keine
Vereinbarung mit einem Regime, das „muslimisches Blut“ vergieße.
Kurze Zeit später gab es gewaltsame Zwischenfälle auch im Großraum
Damaskus und in Homs. Die Armee habe dort Gebiete unter Beschuss
genommen, hieß es.
Krisendiplomat Brahimi ist jedoch aus seinen vergangenen
Vermittlungsbemühungen im Irak, Kongo oder Afghanistan Rückschläge
gewöhnt und plant schon die nächsten Schritte. Am Montag reist er zu
politischen Gesprächen mit dem wichtigsten Verbündeten Assads nach
Russland. Dort trifft er den russischen Chefdiplomaten Sergej Lawrow.
Das Moskauer Außenamt erklärt dazu optimistisch: „Bei dem Treffen
sollen mögliche praktische Schritte für eine schnellere politische
und diplomatische Lösung der Krise in Syrien geprüft werden.“ Die
Suche nach einer schnellen Lösung dauert in Syrien bereits mehr als
19 Monate an.
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