Syrien-Friedensplan: Misstrauen bleibt
Nach der Zustimmung des syrischen Regimes zum Friedensplan des UN-Sondergesandten Kofi Annan bleibt Skepsis.
Washington/Peking/Istanbul - US-Außenministerin Hillary Clinton verwies darauf, dass Präsident Baschar al-Assad dafür bekannt sei, dass er viel versprochen und dann wenig eingehalten habe.
Der Zustimmung müssten daher unverzüglich Taten folgen. "Wir werden Assads Ernsthaftigkeit und Aufrichtigkeit an dem messen, was er tut, nicht daran, was er sagt", erklärte Clinton am Dienstag an Washington. Wenn er bereit sei, "dieses dunkle Kapitel" in Syriens Geschichte zu schließen, könne er das beweisen, indem er sofort den Regierungstruppen befehle, das Feuer einzustellen und mit dem Rückzug aus bewohnten Gebieten zu beginnen.
Auch die syrische Opposition ist misstrauisch. "Natürlich besteht das Risiko, dass das Regime wieder versuchen wird, die Verpflichtungen aus dem Friedensplan zu umgehen", sagte die Sprecherin des Syrischen Nationalrates (SNC), Basma Kadhmani, der Nachrichtenagentur dpa in Istanbul. Dort berieten die Vertreter der wichtigsten Oppositionsgruppen über ihre Strategie im Widerstand gegen das Regime von Assad.
"Aber wir nehmen das trotzdem ernst, denn wenn sie (die syrische Führung) sich nicht daran hält, dann wird es Druck vom wichtigsten Partner Russland geben", sagte die Sprecherin. "Das wäre ein wichtiger Fortschritt." Eine Unterbrechung der Kämpfe, wenn auch nur vorübergehend, könnte vor allem den Menschen zugute kommen. "Eine Waffenruhe von zwei Stunden täglich würde schon sehr helfen."
Nach Gesprächen mit der chinesischen Führung in Peking begrüßte Annan am Dienstag vor Journalisten in Peking die "positive" Antwort der syrischen Führung. Auch China habe seine "volle Unterstützung" angeboten. Peking wolle mit ihm und den anderen Mitgliedern des Weltsicherheitsrates zusammenarbeiten, um den Sechs-Punkte-Plan jetzt umzusetzen, sagte Annan.
Der Friedensplan beinhaltet einen sofortigen Waffenstillstand zwischen den beteiligten Parteien, den Abzug schwerer Waffen aus Wohngebieten und humanitäre Hilfe für die Bevölkerung.
Nach Angaben des UN-Nahostexperten Richard Serry hat die brutale Unterdrückung von Protesten gegen das Assad-Regime seit März 2011 bereits 9000 Zivilisten das Leben gekostet.
Für Annan gibt es nach Angaben seines Sprechers nun einen "ersten wichtigen Schritt, der die Gewalt und das Blutvergießen beenden könnte". Auch könnten die Leidenden Hilfe bekommen. Es könnte ein Klima für einen politischen Dialog geschaffen werden, um die legitimen Wünsche des syrischen Volkes zu erfüllen. Annan will den UN-Sicherheitsrat nächste Woche hinter verschlossenen Türen über seine Bemühungen um ein Ende der Gewalt aufklären.
Die staatliche Nachrichtenagentur Sana berichtete zunächst nicht von dem Plan. Stattdessen meldete sie einen Besuch von Präsident Assad in der einstigen Protesthochburg Baba Amro, die in der vom Militär seit Monaten belagerten Stadt Homs liegt. Die sogenannten Revolutionskomitees meldeten, Assad habe seinen Besuch in Homs abkürzen müssen, nachdem sein Konvoi dort beschossen worden sei.
Chinas Regierungschef Wen Jiabao sicherte Annan Unterstützung zu. Mit den Vermittlungsbemühungen des ehemaligen UN-Generalsekretärs sei eine "gerechte, friedliche und angemessene" Lösung des Konflikts möglich, zitierte die Nachrichtenagentur Xinhua den Premier. China war in den vergangenen Wochen wie Russland schwer unter Druck geraten, weil sie als Veto-Mächte im Weltsicherheitsrat zwei Resolutionen gegen das Regime in Syrien verhindert hatten.
Der Iran sagte der syrischen Führung volle Unterstützung zu. Er sei davon überzeugt, dass Assad die notwendigen Reformen längst eingeleitet habe, sagte Präsident Mahmud Ahmadinedschad laut Nachrichtenagentur Irna im Gespräch mit einem Sonderbevollmächtigten Assads.
Die Kämpfe gingen in Syrien weiter. In Vororten der Hauptstadt Damaskus lieferten sich Armee und Einheiten der Rebellen am Dienstag schwere Gefechte. Syrische Aktivisten berichteten landesweit von mindestens 28 Toten, unter ihnen sechs Soldaten und sechs Menschen, die an den Folgen von Folterungen starben. Auch auf dem Gebiet des Nachbarlandes Libanon soll es zu Zusammenstößen zwischen Assad-Truppen und Regimegegnern gekommen sein.
Bei dem Treffen in Istanbul einigten sich Oppositionsgruppen auf einen Minimalkonsens für die Zeit nach Assad. Sie betonten darin ihre Unterstützung für die Deserteure der Freien Syrischen Armee und forderten die Einrichtung einer militärisch gesicherten Schutzzone. In einer Vereinbarung, die allerdings von einigen kurdischen Gruppen und anderen Persönlichkeiten der Szene nicht akzeptiert wurde, kündigen die Gegner Assads an, dass sie gleich nach dem Sturz des Regimes eine Übergangsregierung bilden wollen, die Wahlen zu einer Verfassungsgebenden Versammlung vorbereiten soll.