Syrien: Die rote Linie

Barack Obama hat sich entschieden: Die USA greifen in Syrien ein – am Giftgas-Einsatz durch Assad gebe es keine Zweifel mehr. Die AZ analysiert Hintergründe und mögliche Folgen
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Barack Obama hat sich entschieden: Die USA greifen in Syrien ein – am Giftgas-Einsatz durch Assad gebe es keine Zweifel mehr. Die AZ analysiert Hintergründe und mögliche Folgen

WASHINGTON Obama schreitet über die rote Linie. Nach langem Zögern will der US-Präsident nun in Syrien eingreifen. Er hält es nun für erwiesen, dass Diktator Assad mit Giftgas seine Bürger tötet – und das hatte Obama als Grenze definiert, ab wann sich die USA direkt einmischen. Wie das Eingreifen genau aussieht, hängt unter anderem vom G8-Gipfel nächste Woche ab, aber klar ist: Es geht um konkrete militärische Hilfe.

Seit April gibt es ernsthafte Hinweise auf einen Giftgaseinsatz. Großbritannien, Frankreich und auch Uno-Vertreter sagen seit Wochen, dass es immer mehr Beweise gibt, dass Assad C-Waffen gegen die Bevölkerung einsetzt. Doch das Weiße Haus wollte lange nicht mitziehen. Konkrete Belege gebe es noch nicht; dass Geheimdienste mal falsch liegen, kenne man aus der Vergangenheit – das waren die Standardantworten der US-Regierung. Obama wollte einerseits vermeiden, in den nächsten Krieg gezogen zu werden, andererseits sich auch nicht die Blöße geben, dass er eine rote Linie zieht (Giftgas), aber dann nichts tut, wenn sie überschritten wird.

Jetzt hat er sich entschieden. „Er hat gesagt, dass der Einsatz von Giftgas seine Kalkulation ändern würde. Und er hat sie geändert“, erklärte Ben Rhodes, Obamas Vize-Sicherheitsberater. „Er hat die Entscheidung getroffen, die Opposition militärisch zu unterstützen.“ Es gebe keine Zweifel mehr, so Rhodes, dass das Assad-Regime C-Waffen, darunter das Gift Sarin, eingesetzt hat. Man wisse von mindestens vier Fällen, bei denen es bis zu 150 Tote gegeben haben soll.

Wie genau die USA militärisch in Syrien eingreifen, „das entscheiden wir nach unserem eigenen Zeitplan“, so Rhodes. „Ich kann da jetzt nicht ins Detail gehen.“ Im Gespräch sind auf jeden Fall Waffenlieferungen für moderate Rebellengruppen, unter anderem Munition, Gewehre, vielleicht Panzerabwehrwaffen. Über eine Flugverbotszone denke man nach, bestätigt Rhodes. Und auch, dass die USA einige Kampfjets in Jordanien lassen wollen, die nach einem Manöver jetzt eigentlich hätten heimkehren sollen. Die Rebellen hoffen darauf, dass die USA auch Luftangriffe fliegen, begrüßten aber vehement, dass überhaupt Hilfe kommt.

Moskau wirft Washington Lügen vor

Was die USA tun werden, hängt stark davon ab, was andere Länder dazu sagen, heißt es im Weißen Haus – deswegen ist Obama noch nicht selbst an die Öffentlichkeit gegangen. Er will den G8-Gipfel kommende Woche in Nordirland zu vielen Gesprächen nutzen – vor allem auch mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin. Moskau reagierte extrem verschnupft auf den Schwenk in Washington. „Die Berichte über den Giftgaseinsatz sind von denselben Stellen produziert worden wie die Lügen über die Massenvernichtungswaffen im Irak“, so Alexej Puschkow, Chef des Auswärtigen Ausschusses der Staatsduma. Juri Uschakow, außenpolitischer Berater von Putin: „Das, was die Amerikaner vorgelegt haben, ist nicht überzeugend.“

Moskau liefert schon lange Waffen an Assad, die dieser brutal gegen die Aufständischen einsetzt – das ist einerseits der Grund, warum viele im Westen dafür sind, den Rebellen zu helfen. Andererseits gibt es Befürchtungen, dass sich der Konflikt dann zu einem Stellvertreterkrieg auswachsen könnte.

Das war auch ein Grund für Obamas Zögern. Dass er jetzt umgedacht hat, wird in Washington vor allem zwei Faktoren zugeschrieben: erstens, dass Assad neben der Hilfe aus Moskau nun auch noch über die Hisbollah offen von Teheran unterstützt wird und in jüngster Zeit damit auch militärische Erfolge gegen die Aufständischen erzielt hat – die Sorge wuchs, dass Assad, der zwischenzeitlich stark in die Ecke gedrängt wurde, das Blatt zu seinen Gunsten wenden kann. Rhodes: „Die Hilfe ist jetzt besonders dringlich.“

Der zweite Grund für den Schwenk heißt Susan Rice: Am 5. Juni hatte Obama die Uno-Botschafterin zu seiner neuen Sicherheitsberaterin ernannt. Sie gilt als seine neue „Weichenstellerin“ – und schon lange als Befürworterin einer sehr konkreten Hilfe für die syrischen Aufständischen. 

In den USA begrüßte der Republikaner John McCain Obamas Entscheidung: „Wir stimmen mit ihm überein.“ Er forderte, dass die USA auch mit eigenen Truppen intervenieren. Große Zustimmung kam auch von London, das ebenfalls Waffen an die Rebellen liefern will. Sehr zurückhaltend reagierte die deutsche Regierung: „Wir werden weiter keine Waffen liefern, schon aus rechtlichen Gründen“, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel Sprecher Steffen Seibert. Man sei „in engem Kontakt“ mit den USA und wolle eine Entscheidung im Sicherheitsrat.

 

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