Syrien: Assad schließt rasche Feuerpause aus
Damaskus - Nach Luftangriffen auf Krankenhäuser und Schulen im Norden Syriens hat UN-Sondervermittler Staffan de Mistura bei einem Besuch in Damaskus für eine Waffenruhe und Hilfslieferungen geworben.
Der Diplomat traf mit Syriens Außenminister Walid al-Muallim zusammen, wie ein UN-Sprecher in Genf erklärte. Zugleich wächst nach den jüngsten Angriffen international die Kritik an Russland und dem syrischen Regime.
Frankreichs Außenminister Jean-Marc Ayrault verurteilte die Bombardierung von Kliniken scharf. "Die Angriffe des Regimes oder seiner Unterstützer auf Gesundheitseinrichtungen in Syrien sind inakzeptabel und müssen sofort aufhören", erklärte er am Montagabend. Das türkische Außenministerium teilte mit, die Angriffe auf zivile Ziele seien "nach internationalem Recht ein klares Kriegsverbrechen".
Lesen Sie hier: Oettinger sorgt mit Aussage über Petry für Wirbel
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) rief Russland und die Türkei zur Einhaltung der Münchner Friedensvereinbarung auf. Die jüngsten Angriffe auf Krankenhäuser und Schulen bezeichnete er als neuen "traurigen Tiefpunkt" des Konflikts.
Angriffe auf mindestens fünf Krankenhäuser und zwei Schulen in den nördlichen Provinzen Aleppo und Idlib hatten die Spannungen am Montag verschärft. Dabei kamen nach UN-Angaben fast 50 Menschen ums Leben.
Gezielter Angriff auf Ärzte ohne Grenzen
Der Sprecher des UN-Hochkommissariat für Menschenrechte, Rupert Colville, erklärte, es gebe klare Hinweise darauf, dass die Kliniken nicht versehentlich angegriffen worden seien. Allein das Ausmaß der Angriffe zeige, dass es sich um eine Kriegstaktik handeln könne. Von der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) veröffentlichte Bilder einer Klinik in Maret al-Numan zeigten das Ausmaß der Zerstörung. MSF sprach von einem anscheinend "gezielten Angriff" auf die Klinik.
Lesen Sie hier: Polizei durchsucht Räume von Salafistenverein
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte ging davon aus, dass Moskaus Luftwaffe für die Angriffe verantwortlich ist. "Es waren russische Flugzeuge, die das Krankenhaus in Maret al-Numan und ein weiteres nahe der Grenze getroffen hat", sagte der Leiter der Menschenrechtsbeobachter, Rami Abdel Rahman. Augenzeugen hätten die Jets gesehen. Die Menschenrechtsbeobachter sitzen in England, stützen sich bei ihren Angaben jedoch auf ein Netz von Aktivisten vor Ort.
Assad schließt Waffenruhe innerhalb einer Woche aus
Der Vorsitzende von MSF in Frankreich, Mego Terzian, sagte der Zeitung "Le Monde", die beschossenen Zonen in der Provinz Idlib würden von der Opposition kontrolliert. "Es wäre unlogisch, dass sie ein Krankenhaus bombardieren, das ihre Bevölkerung versorgen soll. Die vier Raketen sind klar von der Koalition abgeschossen worden, die von der Regierung von Damaskus geführt wird." Die Russen führten "die gleiche Zerstörungspolitik wie in Grosny in Tschetschenien: eine Politik massiver Bombardierungen ohne Unterschiede", sagte Terzian weiter. "Das ist eine Politik der verbrannten Erde."
Russland wies hingegen sämtliche Anschuldigungen zurück, für den Angriff auf die MSF-Klinik verantwortlich zu sein. Solche Vorwürfe seien nicht hinnehmbar, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Er verwies auf die Erklärung des syrischen Botschafters in Russland, Riad Haddad, der das US-Militär für den Angriff auf das Krankenhaus verantwortlich gemacht hatte. Die Militäraufklärung habe ergeben, dass die russische Luftwaffe damit nichts zu tun habe, sagte Haddad.
Lesen Sie hier: Kardinal Marx ruft EU zu schneller Flüchtlingshilfe auf
De Mistura bemüht sich in Damaskus darum, die ausgesetzten Friedensgespräche zwischen dem Regime und der Opposition wiederzubeleben. Er hoffe noch immer, diese vor dem 25. Februar fortsetzen zu können, sagte UN-Sprecher Ahmad Fawzi.
Syriens Präsident Baschar al-Assad hatte allerdings in einer am Montagabend veröffentlichten Rede eine schnelle Feuerpause ausgeschlossen. "Jetzt sagen sie, dass sie eine Feuerpause innerhalb von einer Woche wollen", erklärte er nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Sana. "Gut, aber wer kann alle diese (gestellten) Bedingungen und Anforderungen in einer Woche zusammenfügen? Niemand."
Die USA, Russland und die beteiligten Regionalmächte hatten sich Ende vergangener Woche bei Verhandlungen in München auf eine Waffenruhe für Syrien geeinigt, die innerhalb einer Woche beginnen soll. Russische Jets bombardierten am Dienstag in Aleppo erneut Gebiete von Rebellen, wie die Menschenrechtsbeobachter erklärten.
Ungeachtet internationaler Appelle setzte die Türkei ihre Angriffe auf Stellungen der kurdischen Milizen in Nordsyrien fort. Die Syrische Beobachtungsstelle meldete, bei Artilleriebeschuss seien in der Nacht zum Dienstag mindestens drei YPG-Kämpfer getötet worden. Bei der YPG handelt es sich um den bewaffneten syrischen Ableger der verbotenen Arbeiterpartei PKK, die von der Türkei bekämpft wird. Die YPG hatte am Montagabend zusammen mit Verbündeten nahe der Grenze die bislang von Rebellen gehaltene Stadt Tel Rifaat eingenommen.