"Stuttgart 21"-Demo eskaliert: Schlacht im Schlosspark
STUTTGART - Die Demonstrationen gegen den Bahnhof Stuttgart 21 und die geplanten Baumfällungen eskalieren: Bei einem massiven Polizeieinsatz mit Tränengas gibt es hunderte Verletzte.
Krawallartige Szenen und Tumulte im sonst so beschaulichen Stuttgarter Schlossgarten: Die Stimmung zwischen der Polizei und den Stuttgart 21-Gegnern ist stark aufgeheizt. Zahlreiche Demonstranten sind verletzt worden. Die Polizei setzte Tränengas, Pfefferspray und Wasserwerfer ein, um sich den Weg durch den Park zu bahnen und Absperrgitter aufzustellen.
Fritz Mielert, ein Sprecher der Parkschützer, sprach von 300 bis 400 Menschen, die bis zum Nachmittag vor allem Augenverletzungen durch den Einsatz von Pfefferspray erlitten. Darunter seien auch Schüler, die am Vormittag an dem Protest teilgenommen hatten.
Ein Mädchen hat eine Gehirnerschütterung erlitten, so Matthias von Herrmann, ebenfalls Sprecher der Demonstranten: „Es wurde kein Unterschied zwischen Jugendlichen und Erwachsenen gemacht.“ Die Polizei konnte am Abend noch keine Verletztenzahl nennen. Es gebe aber auch Gewalt gegen Beamte, sagte eine Sprecherin: „Es sind Steine geflogen.“
Gegen 11 Uhr hat die Polizei ihren Großeinsatz zur Einrichtung der Baustelle auf der Südseite des Hauptbahnhofs für das Bahn-Milliardenprojekt begonnen - unter großen Protesten. Denn angesichts des emotionalen Themas hat die Gegnerorganisation Parkschützer schnell Alarm geschlagen. In kürzester Zeit sind Tausende Demonstranten in den Park geströmt.
Etwa 1000 Beamte sind im Schlossgarten im Einsatz, mit Wasserwerfern drängen sie die Demonstranten zurück. Die Situation droht jeden Moment zu eskalieren. Die Polizei gehe mit Reizgas und mit rüder Gewalt gegen die Demonstranten vor, beschwert sich eine Frau. Einige der Protestierenden klettern auf Bäume, versuchen Absperrungen zu überwinden oder machen ihrem Unmut mit Tröten, Trillerpfeifen und Vuvuzelas Luft.
Andere diskutieren heftig mit den Polizisten und schreien sie auch teilweise an: "Das haltet ihr doch auch nicht durch!“, ruft eine gut gekleidete Frau in Anspielung darauf, dass die Baustelle rund zehn Jahre im Schlossgarten der Dauerzustand sein soll.
Mit einer Aludecke hat es sich eine 48-jährige Frau unter einem Baum bequem gemacht. Auf einem Schild steht: „Wir sind friedliche Baumschützer.“ Sie wolle hier bleiben, bis man sie wegtrage, sagt sie. Notfalls würde sie sogar so weit gehen, sich an einen Baum zu ketten, auch das sei eine friedliche Maßnahme. Ein anderer Mann hat das schon wahr gemacht: Mit einer massiven Stahlkette hat er sich mit einer alten Platane verbunden. Unter die Tausenden Demonstranten haben sich auch zahlreiche Schüler gemischt. „Wir wollen zeigen, dass auch uns nicht egal ist, was hier passiert“, sagen zwei 14-jährige Schülerinnen. Der Park liege ihnen am Herzen, die zum Teil 200 Jahre alten Bäume dürften nicht abgerissen werden.
Uns Jugendlichen soll endlich einmal zugehört werden, auch wir haben eine politische Meinung, betont eine der beiden. Seit Anfang der Proteste ist sie bereits mit dabei. „Unserer Schule wird das Geld gekürzt, und hier stecken sie Milliarden hinein", kritisiert sie.
Die Polizei hingegen kündigte an, mit den Aktionen beginnen zu wollen. Innerhalb der kommenden zwei Tage sollen 25 Bäume auf der Seite des Schlossgartens fallen, darunter auch eine große Platane. Bis Ende Februar sollen es insgesamt 105 Bäume sein.
AZ
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