Sturm auf Israels Botschaft in Kairo: 3 Tote
Bei schweren Ausschreitungen gegen die israelische Botschaft in Kairo sind nach offiziellen Angaben drei Ägypter getötet und mehr als 1000 Menschen verletzt worden. Israels Botschafter und Dutzende Diplomaten wurden in einer nächtlichen Rettungsaktion in die Heimat zurückgebracht.
Kairo/Tel Aviv - Der Sturm auf das Botschaftsgebäude, an dem sich Tausende beteiligten, droht Ägypten in eine schwere Krise zu stürzen. Israel muss nun neben dem andauernden Streit mit der Türkei einen weiteren diplomatischen Konflikt bewältigen.
In Kairo kursierten Gerüchte über einen Rücktritt der Regierung von Ministerpräsident Essam Scharaf, der sein Kabinett für Samstag zu einer Krisensitzung einberufen hat. Die Polizei wurde in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Scharaf steht einer Übergangsregierung vor; die eigentliche Macht liegt seit dem Sturz des Regimes von Husni Mubarak beim Militärrat.
Seit Wochen ist es vor der israelischen Botschaft in Kairo immer wieder zu Protesten gekommen. Auslöser war der Tod von fünf ägyptischen Grenzpolizisten. Israelische Sicherheitskräfte hatten sie bei der Verfolgung mutmaßlicher palästinensischer Terroristen an der ägyptisch-israelischen Grenze vor drei Wochen erschossen. Erst nach erheblichem Drängen der ägyptischen Regierung gab es eine offizielle Entschuldigung Israels. Dennoch erhitzt der Streit mit Israel in Ägypten die Gemüter.
Aufgebrachte Demonstranten lieferten sich in der Nacht zum Samstag vor der Botschaft massive Kämpfe mit der ägyptischen Polizei. Beamte wurden mit Trümmern einer niedergerissenen Schutzmauer beworfen, die Polizei setzte Tränengas ein. Mehrere Polizeifahrzeuge gingen in Flammen auf. Nach Angaben des Kairoer Gesundheitsministeriums wurden bei den Krawallen drei Demonstranten getötet. Außerdem seien 1049 Menschen verletzt worden, darunter 46 Polizisten und Soldaten.
Die Demonstranten stürmten das Bürohochhaus, in dem die diplomatische Vertretung untergebracht ist. Sie steckten die israelische Fahne in Brand. Im Gebäude verschanzten sich sechs israelische Sicherheitsbeamte und Diplomaten. Sie hätten von einem ägyptischen Sonderkommando befreit werden müssen, berichtete ein ranghoher israelischer Regierungsvertreter der Nachrichtenagentur dpa. Wie Stunden zuvor Botschafter Jitzschak Levanon und Dutzende Diplomaten und andere Israelis wurden die sechs mit einer israelischen Militärmaschine in die Heimat geflogen. Die oppositionelle Jugendbewegung 6. April distanzierte sich von den Randalierern. Kräfte des alten Regimes versuchten, "Ägypten ins Chaos zu stürzen" und das öffentliche Bild der Revolution zu beschädigen, hieß es in einer Erklärung. Ziel sei es auch, den Prozess gegen Mubarak und seinen Machtzirkel scheitern zu lassen.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu forderte Konsequenzen: "Ägypten darf die schwere Verletzung der Substanz des Friedens mit Israel und einen so eklatanten Verstoß gegen internationale Normen nicht ignorieren", sagte Netanjahu nach Angaben eines ranghohen Regierungsvertreters. Der Regierungschef dankte demnach US-Präsident Barack Obama und den ägyptischen Behörden für ihre Hilfe bei der Rettung der Diplomaten.
Nach Angaben des Weißen Hauses in Washington hatte Obama in einem Telefonat mit Netanjahu seine Sorge um die Sicherheit der israelischen Botschaftsmitarbeiter zum Ausdruck gebracht. Die USA versuchten auf allen Ebenen, eine Klärung der Situation in Kairo ohne weitere Gewalt zu erreichen, hieß es.
Ägyptens Ministerpräsident Scharaf hatte Israel mit Konsequenzen wegen des Grenzzwischenfalls gedroht: "Das Blut der Ägypter ist zu wertvoll, als dass es ohne Antwort vergossen werden dürfte", schrieb er im August im sozialen Netzwerk Facebook. Was vor der ägyptischen Revolution noch akzeptiert worden sei, könne nach der Revolution nicht mehr hingenommen werden.
Mit der Türkei findet sich Israel derzeit in einem ähnlichen Konflikt. Israelische Soldaten hatten im Mai 2010 auf einem Schiff der Gaza-Hilfsflotte neun türkische Aktivisten getötet. Auch nach einem UN-Bericht, der Israel überzogene Gewaltanwendung bei dem Einsatz bescheinigte, verweigerte die Regierung in Jerusalem eine Entschuldigung. Die türkische Regierung wies daraufhin den israelischen Botschafter aus und legte alle Militärabkommen mit Israel auf Eis.