Stürmische Zeiten für Seehofer

Ein Damen-Duo entmachtet EU-Spitzenkandidat  Markus Ferber – und  Erwin Huber stößt eine Debatte über die Nachfolge von Seehofer an.
Angela Böhm |
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München – Sie trafen sich am Sonntagabend im Büro von CSU-Chef Horst Seehofer in der Landesleitung. Zweieinhalb Stunden brauchten die verbliebenen fünf Europa-Abgeordneten nach der Wahlschlappe, um sich neu aufzustellen. Ihr Spitzenkandidat und bisheriger Vorsitzender Markus Ferber hatte dabei nicht den Hauch einer Chance. Zwei Frauen hatten sich gegen den CSU-Bezirksvorsitzenden der Schwaben verbündet: Angelika Niebler, die Chefin der Frauen-Union, und Strauß-Tochter Monika Hohlmeier. Die Führungsjobs teilten die beiden unter sich auf.

Lesen Sie hier: AZ-Meinung - Dummer Dritter

Niebler, die bisher Parlamentarische Geschäftsführerin der CSU-Abgeordneten in Brüssel war, wollte nicht länger die Nummer zwei hinter Ferber sein und endlich selbst den Chefposten. Hohlmeier fiebert nach einem Comeback und wollte unbedingt wieder etwas werden. Sie übernimmt nun Nieblers Job als Parlamentarische Geschäftsführerin der Restetruppe.

Ein Mann hatte sich als Dritter im Bunde an ihre Seite gesellt. Manfred Weber, CSU-Chef in Niederbayern und seit Jahren in Brüssel Ferber in Dauerkonkurrenz verbunden. „Die waren wie Hund und Katz“, sagt ein Insider. Weber schaffte es, sich an seinem CSU-Gruppenchef vorbei in der länderübergreifenden EVP-Fraktion zu positionieren: Die EVP ist die Parteienfamilie der Konservativen, deren Spitzenkandidat Jean-Claude Juncker war. Am Mittwoch wählt die EVP ihren Fraktionschef. Nominiert ist Weber: Er könnte damit zu einem der mächtigsten Deutschen in Brüssel werden.

Bleibt als Fünfter der CSU-Mann Albert Dess. Er ist der einzige Landwirt der ganzen Union im EU-Parlament und deshalb schon als ihr Landwirtschaftssprecher sicher.
Seehofer hatte in der Runde noch zu vermitteln versucht: Ferber solle bis zur Hälfte der Legislaturperiode bleiben, dann den Stab an Niebler weitergeben. Das Damenduo aber nutzte die Gunst der Stunde und war zu keinem Kompromiss bereit. Ferber fügte sich schließlich. Einstimmig wurde das Frauen-Team gewählt. „Nach 15 Jahren kann man an der Spitze was verändern“, gibt sich die neue CSU-Europa-Chefin Angelika Niebler selbstbewusst. „Neue Besen kehren gut.“ Dann setzt sie noch nach: „Je länger man in einem Amt ist, desto betriebsblinder wird man.“

Für Horst Seehofer ist der Wechsel nicht unangenehm. Ferber gilt als kritischer Kopf. Von Niebler und Hohlmeier dagegen hat der angeschlagene CSU-Chef nichts zu fürchten. Die Chefin der Frauen-Union feierte auch noch mit ihm, als aus ihrer 40-Prozent-Quoten-Forderung für die CSU am Ende nur ein Quötchen für Partei- und Bezirksvorstand geworden war. Hohlmeier ist Seehofer zu Dank verpflichtet. Als sie bei der Landtagswahl 2008 scheiterte und nach 18 Jahren aus dem Bayern-Parlament flog, fädelte er einen Umzug für die „Moni“ ein. Sein damaliger CSU-Generalsekretär Karl-Theodor zu Guttenberg holte die Strauß-Tochter zu sich nach Oberfranken für die Europa-Wahl 2009. Schon damals musste sich Ferber wehren. Seehofer hatte damit geliebäugelt, Hohlmeier sogar zur EU-Spitzenkandidatin auszurufen.

Getreue braucht Seehofer jetzt auch. Für seine möglichen Nachfolger kam das Desaster bei der Europawahl so überraschend wie für den Parteichef selbst. Für eine Machtübernahme war noch keiner gerüstet. „Die Truppen waren noch nicht gesammelt“, sagt ein Insider. Sichtlich gezeichnet ist der CSU-Chef vom Absturz seiner Partei auf 40 Prozent, dem schlechtesten Wahlergebnis seit 60 Jahren. Gleich nach der Wahl hatte er versucht, die Nachfolge-Debatte im Keim zu ersticken, und alles getan, um bei seinen Parteifreunden eine Beißhemmung zu erzeugen.

An diesem Wochenende aber hat sein Vorgänger Erwin Huber mit einem „Spiegel“-Interview eine Nachfolge-Diskussion angezettelt. Offenbar wollte er einen Prozess des Nachdenkens anstoßen und dabei gleich einen Fahrplan für Seehofers Machtübergabe vorschlagen. Bis zur Bundestagswahl 2017 soll die künftige CSU-Mannschaft stehen, so Hubers Anregung. „Gradlinigkeit und Verlässlichkeit müssen zurückkehren. Wir müssen wieder Teamgeist pflegen.“ Seine Parteifreunde wiegelt er auf: „Es ist die Feigheit von vielen, die ihn so überdominant werden ließ.“
Seehofer war bei seinem ersten Anlauf auf den CSU-Thron Huber unterlegen. Als Huber und Günther Beckstein bei der Landtagswahl 2008 die absolute Mehrheit verloren, übernahm er sofort die ganze Macht.

Um die Wogen zu glätten, sprang ihm gestern die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, zur Seite: „Ich glaube, wir sollten uns schon auch daran erinnern, dass es Horst Seehofer war und ist, der die CSU wieder erfolgreich gemacht hat.“ Mit Seehofer habe die CSU wieder die absolute Mehrheit in Bayern erreicht.

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