Studie: Steigende Gewaltbereitschaft gegen Journalisten

Seit 2014 ist der Ausruf "Lügenpresse" fester Bestandteil vieler rechtspopulistischer und rechtsextremer Demonstrationen. Immer öfter bleibt es aber nicht bei verbalen Angriffen. Die Gewaltbereitschaft gegenüber Medienvertretern und Journalisten ist einer Studie des European Center for Press & Media Freedom zufolge 2018 gestiegen.
Auf Demonstrationen gibt es immer wieder aggressive Menschen, die ihre Ansichten auch mit körperlicher Gewalt deutlich machen. Gerade im rechtspopulistischen und rechtsextremen Spektrum richtet sich das Aggressionspotential oftmals gegen Journalisten. Parolen wie "Lügenpresse, halt die Fresse" sind seit 2015 fester Bestandteil rechter Demonstrationen. Einer Studie des European Center for Press & Media Freedom (ECPMF) zufolge sind 2018 körperliche Angriffe auf Journalisten im Vergleich zu den Vorjahren wieder gestiegen.
Angriffe auf Journalisten, die filmen oder fotografieren
Seit Anfang 2018 gab es bisher 22 Übergriffe auf 28 Pressevertreter. Gab es 2015 noch 43 Angriffe, sank die Zahl 2016 auf 19, 2017 sogar auf nur noch fünf gewaltsame Übergriffe. Die diesjährigen Attacken richteten sich vor allem auf Journalisten, die fotografierten, filmten oder einfach Kameras bei sich trugen. Allein in Chemnitz wurden am 1. September neun Angriffe gemeldet.
Gegenüber des ECPMF sagt ein Reporter, der bei den Ereignissen am 1. September in Chemnitz vor Ort war und anonym bleiben möchte: "Ich war seit 2014 immer wieder als Berichterstatter bei Großdemonstrationen vor Ort: bei Pegida, Legida, HogeSa oder bei lokalen Protesten gegen die Unterbringung von Geflüchteten. Zumindest verbale Übergriffe gegen uns Journalisten gab es eigentlich immer. Chemnitz hatte für mich aber eine neue Qualität, nicht nur, weil ich dieses Mal körperlich angegriffen wurde. Die Stimmung gegen uns Journalisten war von Anfang an extrem aggressiv."
In Sachsen gab es 2018 die meisten Angriffe
Laut Studie sind in Sachsen arbeitende Journalisten am stärksten von gewaltsamen Angriffen bedroht. 2018 wurden hier bisher 13 Übergriffe registriert, mehr als in jedem anderen Bundesland. Im Vergleich dazu gab es in Sachsen-Anhalt vier Angriffe, in Thüringen zwei und in Brandenburg, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen jeweils einen. Entscheidender Faktor hierbei sind die Ereignisse in Chemnitz.
Sachsen eine höhere Gewaltbereitschaft zuzusprechen wäre aber falsch. Dazu schreibt die Studie: "Völlig falsch wäre es, die Angriffe gegen Journalisten als alleiniges Problem Sachsens betrachten zu wollen oder gar auf vermeintliche Eigenheiten der dortigen Bevölkerung zurückführen zu wollen. Solche Übergriffe können überall in Deutschland passieren, wo Rechtsextreme und Pressefeinde auf Medienvertreter treffen und Sicherheitskräfte nicht schnell genug intervenieren."
Drei Faktoren für die Entwicklung der Angriffszahlen auf Journalisten
Der Studie zufolge hängt die Entwicklung der Angriffszahlen künftig maßgeblich von drei Faktoren ab: "a) Der Anzahl der Demonstrationen des rechten Spektrums und damit dem Grad rechter Mobilisierung; b) der Bereitschaft von Journalisten und ihren Redaktionen, diese Entwicklungen auch auf der Straße berichterstattend zu begleiten; c) der Fähigkeit der Polizei, diese Berichterstattung abzusichern. Dazu zählt sowohl die Ausbildung als auch die ausreichende Verfügbarkeit von Schutzpolizisten."
Um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, sind laut ECPMF vor allem die Sicherheitsbehörden gefragt. Deutsche Journalistenverbände fordern schon länger Fortbildungen für Polizisten, um juristische Wissenslücken bei Journalistenrechten auf politischen Veranstaltungen zu schließen.