Strompreis-Entlastung durch Atomkraft umstritten
Berlin (dpa) - Der von der Union geforderte Aufschub des Atomausstiegs würde die Verbraucher nach Expertenberechnung kaum von den hohen Strompreisen entlasten. Auch wenn die Energiekonzerne Milliarden-Profite teilweise auf die Verbraucher umlegten, bliebe diesen nur eine Entlastung im Cent-Bereich.
Das ermittelte das Freiburger Öko-Institut nach einem Bericht von «Zeit online». Ähnlich hatten sich kürzlich die Verbraucherverbände geäußert. Derweil wurde am Mittwoch die innenpolitische Diskussion über die Atomkraft fortgesetzt, obwohl die SPD zuletzt der von Union und Stromkonzernen geforderten allgemeinen Verlängerung der Atommeiler-Laufzeiten eine klare Absage erteilt hatte.
Auch die SPD-Kandidatin für das Bundespräsidentenamt, Gesine Schwan, schaltete sich in die Atom-Debatte ein. Sie wies die jüngste Forderung der SPD-Spitze an die Union zurück, den Neubau von Kernkraftwerken per Grundgesetzänderung dauerhaft auszuschließen. «Aus meiner Sicht gehören solche Einzelfragen nicht in die Verfassung», sagte Schwan der «Passauer Neuen Presse» (Mittwoch). Eindeutig stellte sie sich jedoch hinter das SPD-Nein zum allgemeinen Aufschub des Atomausstieges, der bislang bis etwa 2022 geplant ist. Schwan: «Längere Laufzeiten würden den Druck von uns nehmen, über Alternativen zur Kernkraft nachzudenken.»
Zustimmung zum SPD-Vorschlag, den Atomausstieg im Grundgesetz zu verankern, äußerte wider Erwarten Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU). Ein verfassungsrechtliches Nein zu neuen Atomkraftwerken sei aber keine Festlegung für alle Ewigkeit. Dagegen lehnten Rechtswissenschaftler eine Zementierung des Atomausstiegs im Grundgesetz ab. «Man sollte die Verfassung nicht für die Tagespolitik instrumentalisieren», sagte der Berliner Staatsrechtler Ulrich Battis der «Westdeutschen Allgemeinen Zeitung» (Mittwoch). Der Bonner Staatsrechtler Josef Isensee sagte dem Blatt: «Eine Festschreibung im Grundgesetz würde ich für eine ungeheure Torheit halten.» Die Energiepolitik müsse beweglich sein, um wechselnden Bedürfnissen Rechnung zu tragen.
Eine Laufzeitverlängerung für die noch 17 Atomkraftwerke (AKW) um acht Jahre würde den deutschen Konzernen zusammen zwar 63 Milliarden Euro über diesen Zeitraum einbringen, berichtete «Zeit online» am Mittwoch aus einer neuen Studie des Öko-Instituts. Diese Profite ergeben sich aus der Weiterproduktion steuerlich längst abgeschriebener Anlagen. Selbst wenn man die Hälfte dieses Gewinns auf die Stromverbraucher umlegte, brächte das aber allenfalls Entlastungen im Cent-Bereich.
In einer ersten Phase bis 2010 sei mit einem jährlichen Zusatzgewinn von 439 Millionen Euro zu rechnen. Legte man dies zur Hälfte auf den gesamten Stromverbrauch um, komme es zu einer Preissenkung von nur 0,04 Cent pro Kilowattstunde (KWh). Beim mittleren jährlichen Stromverbrauch eines Drei-Personen-Haushalts von 3500 KWh ergebe sich daraus eine Ersparnis von 1,40 Euro pro Jahr. Nach 2010 führe das spätere Abschalten der zunächst verbleibenden 15 Anlagen zwar zu deutlich höheren Gewinnen. Aber auch dann könne der Strom nur um 0,3 Cent billiger werden. Die Verbraucherverbände hatten kürzlich eine Entlastung von etwa 50 Cent pro Monat ermittelt.
Dagegen würde nach Berechnungen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI/Essen) eine Verlängerung der Laufzeiten um 20 Jahre Wirtschaft und Verbraucher mindestens um 50 Milliarden Euro entlasten. Das berichtete die «Bild»-Zeitung (Mittwoch) unter Hinweis auf den dadurch nicht mehr erforderlichen Neubau teurer Kohlekraftwerke. Dagegen bestritt der SPD- Energieexperte und Bundestagsabgeordnete Reinhard Schultz jeglichen «Zusammenhang zwischen der Nutzung der Atomkraft und der Entwicklung der Strompreise». Diese würden an der Leipziger Strombörse festgesetzt. Die Energiekonzerne hatten der Politik Gespräche vorgeschlagen, um Kostenvorteile durch Atomkraft an die Verbraucher weiterzugeben.
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