Stress mit der Heimatfront
Karl-Theodor zu Guttenberg hat immer mehr Ärger dort, wo es wehtut: mit den eigenen Leuten. Aus der Union mehren sich die Angriffe, und die Wissenschaft nennt ihn einen „dreisten Betrüger“
Berlin - Angriffe vom politischen Gegner gehören zum Tagesgeschäft – viel schmerzhafter ist die Attacke aus dem eigenen Lager. Und hier kommt es für den angeschlagenen Karl-Theodor zu Guttenberg jetzt mit jedem Tag härter. Genau von dort, wo er sich zuhause fühlte, wird geschossen. Die AZ zieht Zwischenbilanz des Scharmützels:
Unter Beschuss aus der Union: Mit Wolfgang Böhmer griff erstmals ein amtierender CDU-Ministerpräsident den Verteidigungsminister in der Schummelaffäre an. Guttenbergs Verhalten sei „weder legitim noch ehrenhaft”, kritisierte der Regierungschef von Sachsen-Anhalt. Böhmer bezweifelte, dass Guttenberg dem öffentlichen Druck auf Dauer standhält. Zugleich sorgt in der CDU für Diskussionsstoff, dass das Bundestagspräsidium unter Führung von Norbert Lammert (CDU) selbst die härtesten Angriffe auf Guttenberg im Parlament ohne Rügen durchgehen lässt. Oppositionspolitiker durften „KT” wiederholt „Lügner”, „Hochstapler” und „Betrüger” nennen, ohne dass das Präsidium wie sonst üblich eingriff. Im Gegenteil: Von Lammert wurde aus dem hinter verschlossenen Türen tagenden Ältestenrat berichtet, er halte Guttenbergs Plagiatentum für „deprimierend eindeutig”. Lammert ist besonders geladen, weil Guttenberg auch aus Bundestags-Expertisen abkupferte. Aber viele Unions-Politiker stehen weiter an Guttenbergs Seite. Am Wochenende stärkten ihm Ministerpräsident Horst Seehofer und Finanzminister Wolfgang Schäuble den Rücken.
Unter Beschuss aus der Wissenschaft: Die Forschung kam in ihrem Protest gegen Guttenberg etwas zeitverzögert in die Gänge, nun schießt sie aber aus vollen Rohren. Am spektakulärsten ist der Angriff des Nachfolgers von Guttenbergs Doktorvater Peter Häberle: Der Bayreuther Juraprofessor Oliver Lepsius sagte in der SZ über „Gutti”: „Wir sind einem Betrüger aufgesessen. Es ist eine Dreistigkeit ohnegleichen, wie er honorige Personen der Universität hintergangen hat." Wenn das zur offziellen Meinung der Uni in ihrem noch laufenden Plagiatsverfahren wird, dürfte Guttenberg als Minister nicht mehr zu halten sein. In der Wissenschaftlerszene wurde Guttenbergs Verhalten mittlerweile zu einem Flächenbrand. Sprecher von Hochschulverband, Deutscher Forschungsgemeinschaft und dem Kulturrat äußerten sich entsetzt und verlangten von Bundeskanzlerin Angela Merkel ein klares Bekenntnis zum Schutz des Urheberrechts. „Wir dürfen nicht zulassen, dass durch ein schlechtes Vorbild illegales Kopieren noch hoffähiger gemacht wird", sagte der Kulturrats-Chef Olaf Zimmermann,
Unter Beschuss aus der Bundeswehr: Bislang hielt sich die Armee mit Kritik zurück – jetzt kursiert ein Bericht in der Marine. Er rehabilitiert angeblich den von Guttenberg im Handstreich abgesetzten Kapitän der Gorch Fock, Norbert Schatz. Diesem sei disziplinarrechtlich nichts vorzuwerfen, heißt es. Das könnte für Guttenberg eine weitere Wende erforderlich machen. Er hatte den Kapitän erst in Schutz genommen, dann abgesetzt – und könnte nun gezwungen sein, Schatz zu rehabilitieren. Guttenberg ließ dazu nur erklären, der Bericht werde „noch finalisiert”.
Unter Beschuss aus dem Volk: Zwar versammelt Guttenberg weiter eine Mehrheit der Deutschen hinter sich. Aber sie bröckelt. In einer Umfrage von Focus gab es bei der Frage nach KTs Kanzlertauglichkeit ein Patt: 46 Prozent meinen Ja, 45 Nein. Auch die erste Demonstration fand statt: In Berlin protestierten hunderte Menschen, sie hängten unter anderem Schuhe an den Zaun des Verteidigungsministeriums – als Protest gegen Guttenbergs fehlende Fußnoten.