Streitender Westerwelle: Guido pöbelt weiter
Die Union sieht „pubertäres Verhalten“, und selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel lässt ihrem Vize Missbilligung ausrichten. Doch Westerwelle keilt weiter und fordert von seinen Kritikern eine Entschuldigung.
Guido brutal. Vizekanzler bizarr, Außenminister außer sich. Vor dem Hintergrund sinkender Umfragewerte und wachsender Kritik an seiner Person macht der FDP-Chef weiter, was er am besten kann. Er streitet. Unversöhnlich legt er in seiner Kritik an der Sozialdiskussion nach dem Hartz-IV-Urteil des Verfassungsgerichts nach. So sehr, dass es sogar der Kanzlerin zu bunt wurde.
„Die Hartz-IV- Diskussion trägt sozialistische Züge“, hatte Westerwelle in der „Welt“ geschrieben. Tags darauf legte er in der Passauer Neuen Presse (PNP) nach: „Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein.“ (siehe unten)
Das Echo war verheerend. Von den Gewerkschaften bis zur Opposition, von der CSU bis zur Kanzlerin gab’s heftige Kritik. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte: „Die FDP spielt gnadenlos Geringverdiener gegen Hartz-IV-Empfänger aus und zündelt am sozialen Frieden im Land“. Sozialverbandschef Adolf Bauer sagte: „Millionen Menschen werden verhöhnt.“ Verdi-Chef Frank Bsirske meint: „Jetzt lässt Guido Westerwelle die Maske fallen.“ Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer schimpft, Westerwelle mobilisiere „Neidreflexe, um für seine Klientel Vorteile zu ziehen“. Und Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ regierungsamtlich Missbilligung ausrichten: „Es ist sicher individuell unterschiedlich, die Sprachführung.“ Und Westerwelles Sprache sei „sicherlich weniger“ die Sprache der Kanzlerin.
Doch der Vize-Kanzler zeigt sich völlig unbeeindruckt. Im TV legte er noch einmal nach: „Das muss man in Deutschland noch sagen dürfen: Wir müssen auf die achten, die das alles erarbeiten“, sagte Westerwelle, „nicht nur auf die, die in Zukunft Solidarität nötig haben. Alles andere ist Sozialismus.“ In der PNP hatte er „geistigen Sozialismus“ beklagt. „Wer arbeitet, darf nicht mehr und mehr zum Deppen der Nation gemacht werden.“
Nach dem Urteil der Karlsruher Richter hatte Westerwelle über den Eindruck geklagt, es gebe „nur noch Empfänger von Steuergeld und nicht mehr die, die das alles erarbeiten“. Die Jugend müsse „lernen, dass Leistung keine Körperverletzung ist“.
Auf seine Wortwahl angesprochen, sagte der FDP-Chef: „Ich spreche die Sprache, die verstanden wird.“ Allerdings nicht von allen. Der Mainzer Regierungschef Kurt Beck sagte, die Hartz-IV-Empfänger hätten eine Entschuldigung verdient. Dem kontert Westerwelle, seine Kritiker müssten sich bei ihm entschuldigen.
Seit die FDP auf acht Prozent abgestürzt ist, sucht Westerwelle sein Heil in Konfrontation. Mit der verbalen Keilerei versucht der Parteichef den Trend vor den Wahlen in NRW umzudrehen. Selbst in der Union macht man sich Sorgen. Von „pubertärem Gehabe“ ist die Rede. Matthias Maus