Streit ums Geld in GroKo-Sondierung

Zum Start der Sondierungen gab es noch ein Reformbekenntnis. Nun gibt es erste Kritik. Aus Reihen der CDU. Die SPD reagiert zurückhaltend und konzentriert sich auf das Thema Europa.
dpa |
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Berlin - Am zweiten Tag der Sondierungen von Union und SPD über eine Regierungsbildung hat es erste Misstöne wegen der Steuer- und Finanzpolitik gegeben.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) warnte in Berlin vor einer Umverteilung von Steuergeldern und zusätzlichen Belastungen für Unternehmen. Aus der Wirtschaft wurden Warnungen vor einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes laut.

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) versuchte umgehend, die Äußerungen Kretschmers einzufangen, und bezeichnete sie ausdrücklich als nicht berechtigt. Der Finanzrahmen, von dem man ausgehe, sei nicht höher als bei den letztlich gescheiterten Verhandlungen mit FDP und Grünen über eine Jamaika-Koalition. Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner sagte: "Wir wissen um die begrenzten Finanzspielräume und sind guter Dinge."

SPD will Anhebung des Spitzensteuersatzes

Die SPD will sowohl den Spitzensteuersatz anheben als auch Erben und Reiche stärker zur Kasse bitten, um damit unter anderem Arbeitnehmer zu entlasten. Der Solidaritätszuschlag soll zunächst nur für untere und mittlere Einkommen abgebaut werden. In Verhandlungskreisen wird von einem Finanzspielraum von bis zu 45 Milliarden Euro für eine neue große Koalition ausgegangen.

SPD-Chef Martin Schulz ging auf die Äußerungen Kretschmers nicht weiter ein. Er verlangte von einer möglichen neuen Bundesregierung mit CDU und CSU eine aktivere gestaltende Rolle in der Europäischen Union. Er erhoffe sich dazu in den Sondierungen Ergebnisse, die Deutschland "wieder zum Motor der Europapolitik" machen, sagte Schulz. Er sei optimistisch, dass dies "unser gemeinsames Ziel" sei. Schulz, Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer wollten am zweiten Tag der Gespräche in der CDU-Zentrale über Europa beraten.

Vor Beginn der Sondierungen waren gegensätzliche Positionen deutlich geworden - vor allem zwischen der SPD, die eine weitere Vertiefung der Integration bis zu Vereinigten Staaten von Europa anstrebt, und der CSU, die dies ablehnt. Hintergrund sind auch Vorschläge des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der unter anderem einen eigenen Haushalt der Eurozone und einen europäischen Finanzminister ins Gespräch gebracht hat.

Außenminister Sigmar Gabriel hatte am Vortag in der ARD verlangt, dass Macron endlich eine Antwort aus Deutschland auf seine Reformvorschläge für Europa erwarten dürfe. Im übrigen müsse in einem Koalitionsvertrag einer möglichen neuen großen Koalition das Thema Europa im Zentrum stehen. Schulz sprach mit Blick auf die am Sonntag begonnenen Sondierungen von einer "sehr konstruktiven Atmosphäre". Er hoffe, dass die Gespräche so fortgesetzt werden könnten.

Kretschmer: Zusätzliche Bürokratie für Unternehmen sei nicht der richtige Weg

Kretschmer machte hingegen deutlich, dass er die Debatte über die Steuerpolitik weniger positiv sieht. "Mir gefällt die Grundtonalität, die derzeit herrscht, nicht so sehr", sagte er beim Eintreffen zu den Gesprächen. "Ich finde, Politik besteht nicht darin, möglichst viel Steuergeld auszugeben, sondern Freiräume für zukünftige Generationen zu ermöglichen." Es gehe um Investitionen in die Zukunft. Auch zusätzliche Bürokratie für Unternehmen könne "nicht der richtige Weg" sein.

Auf welche konkreten Pläne bei den Sondierungen zwischen Union und SPD sich Kretschmer genau bezog, blieb unklar. Kretschmer hatte erst Mitte Dezember die Nachfolge von Stanislaw Tillich (CDU) als sächsischer Ministerpräsident angetreten. Tillich hatte nach einem desaströsen Abschneiden der sächsischen CDU bei der Bundestagswahl die Verantwortung übernommen.

Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) Eric Schweitzer erklärte: "Wer in diesen Zeiten über Steuererhöhungen auch nur nachdenkt, betreibt ein gefährliches Spiel." Es sei vielmehr eine Entlastung "bitter nötig". Vor vier Jahren hätten Union und SPD beim Koalitionsvertrag auf Steuererhöhungen verzichtet. Aktuell liegt der Spitzensteuersatz bei 42 Prozent ab einem Jahreseinkommen von 54.950 Euro, hinzu kommt der Steuersatz von 45 Prozent ab 250.000 Euro. Wichtige Länder wie die USA, Großbritannien und Frankreich wollten ihre Steuern für Unternehmen deutlich verringern.

Notwendigkeit umfassender Reformen in Deutschland und Europa

Die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung, Gundula Roßbach, warnte Union und SPD davor, ein neues milliardenteures Rentenpaket zu schnüren. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Montag) wandte sie sich dagegen, Projekte wie eine Solidarrente für Geringverdiener oder eine höhere Mütterrente aus der Rentenkasse zu finanzieren.

Die Spitzen von CDU, CSU und SPD hatten am ersten Tag ihrer offiziellen Sondierungen die Notwendigkeit umfassender Reformen in Deutschland und Europa unterstrichen. "Wir alle sind uns der Verantwortung für die Zukunft Deutschlands und Europas bewusst", sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil am Sonntagabend. Allen sei klar: "Ein "Weiter so" kann es nicht geben." Es sei der feste Wille, dass es am Donnerstag ein Sondierungsergebnis gebe, "auf dessen Grundlage wir dann entscheiden, ob sich weitere Gespräche lohnen".

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