Streit um Minarette auch in Deutschland
Nach dem Votum der Schweizer gegen islamische Gotteshäuser debattieren auch Unionspolitiker über die Stimmung im Land. Doch die Eidgenossen denken schon an eine Abstimmung über die Burka
BERN/BERLIN Das erfolgreiche Schweizer Referendum gegen den Bau von Minaretten hat in Deutschland eine Grundsatzdebatte über Integration und Volksabstimmungen ausgelöst. Muslimische Verbände und Oppositionspolitiker reagierten schockiert auf das Votum und warnten vor einer islamfeindlichen Bewegung. Selbst Befürworter von bundesweiten Volksabstimmungen in Deutschland werteten das Schweizer Ergebnis kritisch und betonten, auch die direkte Demokratie habe ihre Schranken. Unions-Politiker appellierten dagegen, die Schweizer Entscheidung ernst zu nehmen. Das Ergebnis des Referendums sei „Ausdruck einer auch in Deutschland weit verbreiteten Angst vor der Islamisierung der Gesellschaft“, sagte CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) eierte herum. Einerseits hält er ein solches Verbot mit dem „Selbstverständnis von Religionsfreiheit in Deutschland nicht vereinbar“. Andererseits sieht er ein Warnsignal: „Es gibt ein emotionales Unbehagen vieler Mitbürger. Wir müssen uns dieser Diskussion stellen.“ Herrmann nutzte die Gelegenheit, gleich wieder gegen eine Aufnahme der Türkei in der EU zu stänkern.
Eine andere Gefahr sieht der Münchner CSU-Europaabgeordnete Bernd Posselt. Er warnt vor „pseudo-christlichem Jubel“: „Wer heute Minarette verbietet, wird morgen Kirchtürme schleifen und Kreuze abhängen.“ Am Sonntag hatten sich in der Schweiz 57,5 Prozent gegen den Bau von Minaretten in ihrem Land ausgesprochen. Dabei gibt es landesweit nur vier Moscheen mit Minaretten. In der Schweiz leben etwa 400 000 Muslime. Zum Vergleich: In Deutschland leben fast vier Millionen Muslime. Es gibt 206 Moscheen mit Minaretten, 120 sind in Planung oder im Bau. Darunter ist eine Großmoschee in Köln-Ehrenfeld mit 55 Meter hohen Minaretten.
Während viele EU-Regierungen der Schweiz Intoleranz vorwerfen, jubelt Österreichs Rechte und erneuert ihre alte Forderung nach einem Minarett-Verbot für Österreich.
In der Schweiz selbst rechnen viele damit, dass der Baustopp für Minarette den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beschäftigen dürfte. Dessen ungeachtet wird bereits das nächste Verbot diskutiert: Die Christliche Volkspartei (CVP) will schnell die Ganzkörperverhüllung für Frauen verbieten. Die Burka stehe für „ islamischen Fundamentalismus“, sagte CVP-Chef Christophe Darbellay. Zwar gibt er zu, dass es nur wenige Burka-Trägerinnen in der Schweiz gibt. „Aber man verbietet etwas lieber zu früh als zu spät.“ bö/jox