Streit um Homo-Ehe und Frauenquote
Heute beginnt die CDU ihren Parteitag – sie ringt um ihren Kurs. Bei den Konflikten Homo-Ehe und Frauen-Quote geht es auch darum, wie man mit wegbrechenden Wählern und Partnern umgeht
Hannover Manches ist so wie immer: Mit einem ökumenischen Gottesdienst beginnt heute um 8.30 Uhr der Parteitag der CDU, danach werden die Delegierten wie jedes Mal seit 2000 Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Chefin wählen. Aber manches eben nicht: Den Schwarzen bricht erstens der Partner, die FDP, weg. Und zweitens die Städte. Wohin also? Noch mehr in die Mitte, zu den jungen und urbanen Wählern? Aber verprellt man dann die Stammklientel vollends?
Offen wird darüber nicht debattiert, zum Auftakt des Wahljahrs soll kein Staub aufgewirbelt werden. Aber auf über die Stellvertreter-Schauplätze – dem Streit um Homo-Ehe und Frauenquote. Und jetzt noch Karlsruhe: Nach 42 Jahren CDU-Herrschaft fiel die Stadt am Sonntag an die SPD. Wieder eine. Im Südwesten regieren die Schwarzen in gar keiner Großstadt mehr, im ganzen Land noch eine der zehn größten Städte. München wird seit 22 Jahren am Stück von Rot-Grün regiert; dass es die schwarzen Direktkandidaten hier schaffen, liegt daran, dass der CSU gut 30 Prozent reichen, solange SPD und Grüne (zusammen über 50 Prozent) getrennte Bewerber aufstellen.
"Die CDU kann Großstadt"
„Die CDU kann Großstadt“, sagt General Herrmann Gröhe trotzig – und nennt das Beispiel Dresden. Merkel selbst räumt Nachholbedarf in den Städten ein. „Wir können nur Volkspartei sein, wenn wir auch dort stark sind.“ Julia Klöckner, Vizechefin in spe (s. unten): „Das Land besteht nicht nur aus Latte-Macchiato-Bistros.“ Aber sie sagt auch: „Es heißt christlich-demokratische Union, nicht konservativ-demokratische Union.“ Beim Thema Homo-Ehe mache die CDU einen logischen Fehler: Man könne den Schwulen und Lesben nicht die gleichen Pflichten geben, aber die gleichen Rechte vorenthalten. Auch die Gruppe „Wilde 13“, die den Antrag für steuerliche Gleichstellung eingebracht hat, macht deutlich, dass sie beim Parteitag kämpfen will, so Jan-Marco Luczak, ein Initiator. „Es wird der Ehe nichts weggenommen.“ Merkel dagegen, sonst pragmatisch und weltoffen, hat sich hier auf die Seite der Konservativen gestellt:
Sie ist gegen eine Gleichstellung, hat sie nun dekretiert – ein Zuckerl für das murrende Stammklientel, das zusehen muss, wie ein Kernthema nach dem anderen beerdigt wird. Eine hohes CDU-Mitglied findet es allerdings ohnehin „selten dämlich“, sich jetzt bei dem Thema festzulegen, da ohnehin ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts dazu ansteht – das vermutlich eben jene jetzt noch bekämpfte Gleichstellung verfügen wird. Für Zündstoff im unausgesprochenen Richtungsstreit sorgt auch die Frauenquote: Hier wird sich wohl Familienministerin Kristina Schröder mit ihrer sanften Flexi-Quote gegen die zackigere 30-Prozent-Vorschrift ihrer Kollegin Leyen durchsetzen.
Rente für Mütter
Beim dritten großen Streitthema, der besseren Rente für Mütter, verlaufen die Linien leicht anders: zwischen den Generationen. Während die Altgedienten dafür werben, Erziehungszeiten vor 1992 besser im Rentenkonto zu honorieren, sagen viele jüngere CDUler, das sei wünschenswert, aber unbezahlbar. Dankbar ist dagegen das Thema Mindestlohn: Hier herrscht Konsens in der Union, und, netter Nebeneffekt, auch in den Städten kommt es gut an – hier geht es gemeinsam gegen die FDP. Merkel hat sich ohnehin gerade wahrnehmbar scharf gegen eine Leihstimmenkampagne für die Liberalen ausgesprochen. Schon eine Weile ist das heimliche Motto: „Hauptsache Merkel – egal, mit wem“. Jetzt könnte noch folgen: „Egal, mit was.“
Merkels neue Stellvertreter
Bloß kein Kampf: Was tun, wenn es fünf Bewerber für vier Posten gibt? Die CDU hat flugs die Zahl der stellvertretenden Parteichefs erhöht und lässt fünfe gerade sein – damit jeder Interessent auch einen Posten bekommt. Ein Überblick, wie sich die CDU personell neu aufstellen will. Vize von Bundeskanzlerin Angela Merkel: Das ist – unter der Chefin – der mächtigste zu vergebende Posten in der CDU. Zwei hören auf: Norbert Röttgen darf nicht mehr nach seinem Rauswurf, die durch Plagiatsvorwürfe angeschlagene Annette Schavan mag nicht mehr. Zwei machen weiter, sie sind gesetzt: Arbeitsministerin Ursula von der Leyen ist – trotz des Dämpfers bei der Zuschussrente – als zentrale Figur der modernen Mitte der Union nicht wegzudenken. Der Hesse Volker Bouffier genießt als letzter richtig konservativer Ministerpräsident eine Art Artenschutz. Drei Neue fangen an: Armin Laschet (NRW) und Thomas Strobl (Baden-Württemberg) sind Pflicht, weil ihre Landesverbände – zahlenmäßig – die stärksten sind und nach den Wahlniederlagen nicht weiter geschwächt werden sollen. Strobl, Schwiegersohn von Wolfgang Schäuble, hat eine interessante Wende hinter sich. Während er früher als definitiv konservativ galt und loyaler Wasserträger für Stefan Mappus war, positioniert er sich nun als Modernisierer:
Den Grünen Wähler abwerben
Die CDU müsse „gesellschaftliche Trends“ aufnehmen, den Grünen (sic) möglichst viele Wähler abspenstig machen und auf Ökologie und Gleichberechtigung setzen – er hat seine Lektion Kretschmann gelernt. Der Nordrhein-Westfale Laschet ist schon länger im liberalen Eck der Schwarzen. Er war Deutschlands erster Integrationsminister und lehnt das Betreuungsgeld ab. „Wir brauchen eine CDU des 21. Jahrhunderts“, sagt er. In letzter Zeit hat auch er einen kleinen Schwenk gemacht: weg von gesellschaftspolitischen Themen hin zu einem schärferen Wirtschaftsprofil. Der 51-Jährige ist nicht besonders durchsetzungsstark: Den Landesvorsitz der NRW-CDU errang er erst im dritten Anlauf – nach Röttgens jähem Sturz. Dritte Neue ist Julia Klöckner, Landeschefin in Rheinland-Pfalz. Die forsche 39-Jährige steht für die nächste Generation und setzt so ihre Themen: Rente, Pflege, Schulden. Als bodenständige Winzertochter vom Dorf spricht sie ländlich-konservatives Publikum an, will sich aber nicht darauf reduzieren lassen. So keck sie öffentlich auftritt: Intern hat sie zu Streitthemen meist dann eine Meinung, wenn auch Merkel eine hat. Gleichzeitig holt sich die christlich-demokratische Partei immer mehr muslimische Frauen in die weiteren Führungszirkel: Emine Demirbüken-Wagner soll ins Präsidium, Aygul Özkan und Serap Güler in den Vorstand.