Streit um die Zukunft der SPD

Nach dem Scheitern des Tolerierungsmodells der SPD in Hessen bleibt es spannend. Während sich der Seeheimer Kreis hinter Partei-Chef Kurt Beck stellt, kursieren Gerüchte über eine Rückkehr Münterferings.
Nach dem Scheitern des Tolerierungsmodells in Hessen ist der Streit zwischen den SPD-Flügeln über die künftige Ausrichtung der Partei neu entflammt. Der konservative Seeheimer Kreis in der SPD stellte sich aber hinter den Vorsitzenden Kurt Beck, der mit seiner Öffnung zur Linkspartei in den westlichen Bundesländern den Boden für die gescheiterte Koalitionsstrategie unter Einbeziehung der Linken in Hessen bereitet hatte.
Angeblich gibt es in der SPD Überlegungen, den ehemaligen Parteichef und Vizekanzler Franz Müntefering als SPD-Vorsitzenden übergangsweise zu reaktivieren, falls Parteichef Beck zurücktreten sollte. Das berichtete die «Bild»-Zeitung unter Berufung auf führende SPD-Politiker, die am Freitag ein Telefonat mit Müntefering geführt haben wollen.
Der 2007 aus privaten Gründen zurückgetretene Arbeitsminister habe dabei eine Rückkehr ins Amt nicht kategorisch ausgeschlossen, falls der in die Kritik geratene Beck als Vorsitzender zurücktrete. Es sei ein Kampf um die Frage entbrannt, ob Beck an der Parteispitze bleiben solle oder nicht.
«Beck hat einen Fehler gemacht»
Der Seeheimer-Sprecher Johannes Kahrs versicherte Beck seine Solidarität: «Beck hat einen Fehler gemacht - aber Fehler machen wir alle. Ich habe Beck gewählt und ich werde es wieder tun. Ich stehe hinter ihm.» Ähnlich äußerte sich Klaas Hübner, der ebenfalls Mitglied des Seeheimer Kreises ist. «Kurt Beck bleibt Parteivorsitzender. Das ist für mich keine Frage», sagte er dem Nachrichtenmagazin «Focus». Hübner und Kahrs gehören zu den schärfsten Kritikern einer Öffnung der SPD zu rot-roten Koalitionen. Unterstützung kam auch vom wirtschaftspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Wend. «Kurt Beck ist Vorsitzender und bleibt Vorsitzender», sagte er der «Westdeutschen Allgemeinen Zeitung».
Struck steht zu Beck
SPD-Fraktionsvorsitzender Struck sah die Schuld für das SPD-Debakel in Hessen allein bei der Landesvorsitzenden Andreas Ypsilanti. Im Interview mit der «Welt am Sonntag» warf er ihr vor, das gescheiterte Zusammengehen mit der Linkspartei bei der Wahl der Ministerpräsidentin gegen den Rat der Parteiführung versucht zu haben. «Die Entscheidung Andrea Ypsilantis für eine Tolerierung durch die Linke haben weder Kurt Beck, seine Stellvertreter Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück noch ich begrüßt.» Es sei daher falsch, Beck eine Mitschuld an der so entstandenen Situation anzulasten. «Ein Führungsproblem ist das nicht. Jeder Parteivorsitzende muss akzeptieren, dass sich die Landesverbände anders entscheiden, als er es sich wünscht», sagte Struck.
Positionsbestimmung gefordert
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse forderte die SPD zu einer Positionsbestimmung auf. «Man muss die parteitaktische Ebene und das gelegentlich heuchlerische moralische Gerede über Glaubwürdigkeit hinter sich lassen», sagte der SPD-Politiker Thierse der «Berliner Zeitung». Dazu gehöre eine pragmatische Auseinandersetzung mit der Linkspartei. «Wenn dabei ein tragfähiges Bündnis herauskommt wie in Berlin: in Ordnung.» Das gelte allerdings nicht für die Bundesebene, wo die Unterschiede unüberbrückbar seien.
Die Vorsitzende der Jungsozialisten in der SPD, Franziska Drohsel, will eine Zusammenarbeit ihrer Partei mit der Linken auch im Bund 2009 nicht ausschließen. Dem Berliner «Tagesspiegel am Sonntag» sagte Drohsel, es gelte, sich inhaltlich mit ihnen auseinanderzusetzen. Dann wird man sehen, was sich entwickelt.» Den Kurswechsel Becks im Umgang mit der Linken in den westlichen Bundesländern wertete Drohsel als «riesigen Schritt» für einen inhaltlichen
Klärungsprozess zwischen beiden Parteien. Der ehemalige Juso-Vorsitzende Björn Böhning machte den rechten SPD-Parteiflügel für das Scheitern von Andrea Ypsilanti bei dem Versuch verantwortlich gemacht, eine Minderheitsregierung in Hessen zu bilden. Böhning griff in der «Bild am Sonntag» die Parteirechte an. Er hielt ihr vor, die Beschlüsse von Parteirat und Vorstand über eine Öffnung zur Linkspartei nicht zu vertreten. (AP, dpa, nz)