Streit nach Urteil: Bekommen Einwanderer Sozialhilfe?
Nach EU-Recht gibt es für arbeitsuchende Migranten kein Geld – aber es gibt Ausnahmen. Eine Studie weist nach: Die Rentenkasse profitiert von Zuwanderung
Berlin - Ein Gerichtsurteil beunruhigt Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU): Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat einer Familie, die 2009 aus Rumänien nach Gelsenkirchen gezogen ist, Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen zugebilligt. Bisher gilt in ganz Europa der Grundsatz, dass EU-Bürger, die in andere EU-Staaten einwandern, dort kein Recht auf Fürsorgeleistungen haben. Von diesem Grundsatz weichen deutsche Gerichte nun in Ausnahmefällen ab – der Innenminister sieht die Gefahr, dass das „einen Anreiz für weiteren Zuzug bietet“.
Der Fall im Detail: Die Familie – ein Ehepaar mit zwei Kindern – ist 2009 von Rumänien ins Ruhrgebiet gezogen. Dort lebten sie vom Verkauf von Obdachlosenzeitungen und vom Kindergeld. Nach über einem Jahr ging der Ehemann zum Jobcenter Gelsenkirchen und beantragte Grundsicherung für Arbeitssuchende – also Hartz IV. Das Amt lehnte unter Hinweis auf geltendes EU-Recht ab. Das sahen die NRW-Richter aus zwei Gründen anders: Erstens war die Familie zum Zeitpunkt der Antragstellung schon ein Jahr in Deutschland. Und zweitens hatte die Agentur für Arbeit erklärt, der Vater habe wenig Aussicht auf Beschäftigung – deswegen dürfe man ihm nach sechs bis neun Monaten der Arbeitssuche diese Leistungen nicht verweigern.
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Die Entscheidung des Essener Gerichts (Az.:L19AS 129/13) ist noch nicht rechtskräftig, wegen der grundlegenden Bedeutung ist Revision möglich – letztendlich wird wohl das Bundessozialgericht darüber entscheiden. Die Familie hatte auf Zahlung von Hartz IV für den Zeitraum Mitte 2010 bis November 2011 geklagt. Im Dezember 2011 fand zumindest die Frau eine Arbeitsstelle – die Familie stockt nun mit Hartz IV auf.
Nach Schätzungen des Gerichts könnten sich bundesweit etwa 130000 arbeitssuchende Ausländer auf dieses Urteil berufen – wenn es denn rechtskräftig werden würde. Im Januar 2013 war vom Bundessozialgericht schon einer schwangeren arbeitslosen Bulgarin ein Hartz-IV-Anspruch zugebilligt worden – sie sei bedürftig und wolle dauerhaft in Deutschland bleiben.
Studie: Einwanderer sind gebildeter als wir – und zahlen mehr in die Rentenkasse ein
Das Profil der Einwanderer ändert sich – die Vorurteile der Deutschen bleiben (noch) bestehen: Immer mehr Ausländer mit Hochschulabschluss kommen zu uns – sie sind bestens ausgebildet und wollen Arbeit. Falsch ist allerdings der Schluss, dass diese Zuwanderer den Deutschen die Arbeit wegnehmen. Das ist das Ergebnis einer Studie der Bertelsmann-Stiftung – sie hat auch ergeben, dass die Zuwanderer nach Deutschland immer gebildeter werden.
Laut Forscher Herbert Brückner hat sich die Qualifikation und Zusammensetzung der Gruppe der Zuwanderer in den vergangenen Jahren dramatisch gewandelt – „von der breiteren Öffentlichkeit unbemerkt“: 43 Prozent der Neuzuwanderer haben einen Hochschul-, Meister oder Technikerabschluss – den haben unter den Deutschen nur 26 Prozent, und nur 19 Prozent der Einheimischen mit ausländischen Wurzeln. Vor allem aber unterstreicht die Studie, dass wir von qualifizierter Zuwanderung profitieren. Bereits in der Vergangenheit haben Einwanderer mehr in die Sozialversicherungssysteme eingezahlt als sie daraus entnommen haben.
Der Grund ist: Sie zahlen im Vergleich zu den Personen ohne Migrationshintergrund mehr in die Rentenversicherung ein. Zwar beziehen Einwanderer häufiger Hartz IV als Einheimische (s. rechts) – unterm Strich bleibt aber ein Plus für die deutsche Sozialversicherung: Rund 2000 Euro pro Kopf und Jahr zahlen Migranten mehr ein, als sie erhalten. „Mit der steigenden Qualifikation der Neuzuwanderer und bei einer verbesserten Arbeitsmarktintegration werden diese Beiträge weiter steigen“, sagt Brückner.
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