Streik bei Amazon

Die Gewerkschaft Verdi will beim weltgrößten Online-Versandhändler einen Tarifvertrag und höhere Löhne durchsetzen
Annette Zoch |
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Ausstand am Standort Leipzig: Rund 400 Beschäftigte von Amazon haben dort am Montag die Arbeit niedergelegt.
dpa Ausstand am Standort Leipzig: Rund 400 Beschäftigte von Amazon haben dort am Montag die Arbeit niedergelegt.

Leizpig/Bad Hersfeld - In fröhlichem Gelb leuchtet das Amazon-Gebäude in Leipzig in den Novemberhimmel. Der stilisierte Pfeil unter dem Amazon-Schriftzug wirkt wie ein Lächeln. Doch viele Mitarbeiter des Online-Versandhandels haben zur Zeit wenig zu Lachen. Sie kämpfen für bessere Löhne. Im Weihnachtsgeschäft machen sie jetzt zunehmend Druck. Am Montag haben die Mitarbeiter an zwei deutschen Standorten gestreikt. Die AZ erklärt die Details im Tarifkampf.

Wo wurde gestreikt?

Bestreikt wurden die Logistik-Zentren in Leipzig und Bad Hersfeld, seit der Nachtschicht am Montagfrüh bis zur Spätschicht. An beiden Standorten nahmen jeweils rund 400 Mitarbeiter am Streik teil. Der Streik war bewusst auf den gestrigen Tag gelegt worden: Amazon bietet derzeit einen „CyberMonday“ mit besonders niedrigen Preisen am Montag.

Außerdem hofft die Gewerkschaft Verdi, das Unternehmen im wichtigen Weihnachtsgeschäft unter Druck setzen zu können.

Wie lief der Streik?

„Die Stimmung ist gut, mit der Streikbeteiligung sind wir sehr zufrieden“, sagt Thomas Schneider, Verdi-Sekretär Handel für Leipzig und Nordsachsen. „Wir konnten heute nochmal ein gutes Signal setzen.“

Seine Kollegin Mechthild Middeke in Hessen äußert sich etwas zurückhaltender: „Amazon hat schon dafür gesorgt, dass hier heute etwas weniger zu tun ist“, sagt sie. „Es gibt zusätzliche Einstellungen. Amazon betreibt einen mächtigen Aufwand, dass man wenig Auswirkungen spürt. Wir streuen so indirekt Sand ins Getriebe.“

In der Tat hat Amazon deutschlandweit acht Logistik-Zentren. Auftragsvolumina zu verschieben ist für den Versandgiganten offenbar kein großes Problem. Die Gewerkschaft redet deshalb nur von „Nadelstichen“ – und plant weitere Aktionen.

Amazon reagiert mit demonstrativer Gelassenheit. Streik-Auswirkungen seien bisher nicht zu spüren, man könne auf das gesamte europäische Logistik-Netzwerk zurückgreifen, sagt Unternehmenssprecher Stefan Rupp.

Was genau fordert Verdi für die Amazon-Mitarbeiter?


Die Gewerkschaft fordert für die 9000 Mitarbeiter in Deutschland eine Bezahlung nach dem Einzel- und Versandhandelstarif. Amazon dagegen orientiert sich derzeit an den günstigeren Konditionen der Logistik-Branche. Derzeit gibt es im ersten Jahr 9,55 Euro pro Stunde, im zweiten 10,99 Euro.

Nach Versandhandels-Tarif gäbe es im ersten Jahr 10,66 Euro, im zweiten 11,39 Euro pro Stunde. Für die Logistik-Branche zahlt Amazon vergleichsweise gut: Bei Zalando gibt es nur 8,79 Euro, bei Hermes je nach Standort 8,53 bis 9,50 Euro die Stunde.

Was ist Amazon: ein Logistik-Unternehmen oder ein Versandhandel?

Genau an dieser Frage entzündet sich der Streit. Amazon argumentiert, man sei ein Logistiker: Man verkaufe zwar eigene Waren, aber eben auch Produkte von Dritthändlern über den so genannten Marketplace. „Bei den Aufgaben der Mitarbeiter handelt es sich um typische Aufgaben aus dem Logistikbereich, wie Lagerung, Verpackung und Versand“, sagt Amazon-Sprecher Stefan Rupp.

Die Gewerkschaft sieht das anders: „Bei DHL oder Hermes können Sie keine CDs kaufen, bei Amazon schon“, sagt Verdi-Mann Schneider. „Amazon ist ein großes Kaufhaus im Internet, deshalb muss hier der Einzelhandels-Tarif gelten.“

Hat die Gewerkschaft gegen den Giganten eine Chance?


Ja, glaubt man bei Verdi, auch wenn derzeit noch nicht viel erreicht wird: „Wir müssen ein dickes Brett bohren“, sagt Thomas Schneider. „Erst durch unseren Druck hat Amazon die Löhne erhöht. 2010 gab es hier nur 7,76 Euro die Stunde.“ Erstmals bekommen Versand- und Vorarbeiter heuer außerdem Weihnachtsgeld. „Auch bei Ikea hat es Jahre gedauert – inzwischen gibt’s dort einen Tarifvertrag.“

 

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