Stoibers neues Herzblut-Projekt
Mit glühender Begeisterung berichtet er dem Landtag von seiner Arbeit in Brüssel. Stoibers Mission in Brüssel ist die Zurückdrängung der Bürokratie. Aber was tut er, der einstige Europa-Skeptiker, da wirklich?
MÜNCHEN Edmund Stoiber hat sich nicht verändert. Sein ganzes Herzblut gerät in Wallung, wenn er über Europa redet – und was er dort alles tut, um die Bürokratie abzubauen. So, als wäre nichts, aber auch gar nichts geschehen, als würde er einen Moment lang vergessen, dass er seit einem dreiviertel Jahr nicht mehr Bayerns Regierungschef ist. Dabei wollte er erst gar nicht in den Landtag kommen, um von seinem neuen Ehrenamt zu berichten, mit dem er sich jetzt die Tage vertreibt.
Doch dem Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sitzt ausgerechnet ein Grüner vor: Martin Runge. Der hat ihn mehr oder weniger genötigt – zum ersten großen Auftritt im Parlament nach seinem Rücktritt. Schließlich bezahlt der Freistaat Stoiber für seinen Zeitvertreib als Unterstützung extra einen Spitzenbeamten. Kosten: 100000 Euro im Jahr.
„Herrn Ministerpräsidenten“
Aber auch Runge, der Stoiber vorführen will, was er denn in Brüssel eigentlich treibt, hat Probleme. Er begrüßt den „Herrn Ministerpräsidenten“. Und hängt, als alle lachen, schnell ein „Ex“ dran.
Stoibers Mission in Brüssel ist die Zurückdrängung der Bürokratie. Aber was tut er, der einstige Europa-Skeptiker, da wirklich? Was hat er erreicht? Die FDP-Europa-Abgeordnete Silvana Koch-Mehrin forderte kürzlich: Stoiber solle seinen Posten räumen, da sein Arbeitskreis ineffektiv arbeite. In Brüssel selbst wird Stoiber ignoriert. Als er neulich eine Pressekonferenz geben wollte und wie üblich eine dreiviertel Stunde zu spät kam, fand er keinen Journalisten vor.
Prahlen mit Erfolgen
Das war gestern im Landtag anders. Der Ausschuss musste sogar in einen größeren Saal umziehen, weil mehr Journalisten zum Auftritt drängten als Abgeordnete. Das genießt Stoiber sichtlich. Er redet sich in Rage, schwadroniert, dass das Amt ein Ehrenamt schon bei weitem übersteige. Und er prahlt mit Erfolgen. Sparvorschläge von acht Milliarden Euro habe seine Arbeitsgruppe bereits verabschiedet.
Er, der den Menschen als Ministerpräsident Europa madig gemacht hat, ist nun der glühende Fan und klagt, das die Bevölkerung Europa nicht mag: „Brüssel wird irgendwie negativ begleitet als Moloch.“ Der Wunsch nach weniger Regelung sei zwar grundsätzlich vorhanden. Das Sicherheits- und Verbraucherschutzinteresse der Bürger sei dann aber doch viel größer. „Da reichen dann Gürtel und Hosenträger nicht aus. Hemd und Hose sollen auch noch mit Reißzwecken verbunden werden.“
Ärger über die „zügellose europäische Bürokratie“
Was ihn besonders ärgert: Schon Franz Josef Strauß und später er selbst hatten als Beispiel für die „zügellose europäische Bürokratie“ die Festlegung des Krümmungsgrades von Gurken gegeißelt. Nun wurde vorgeschlagen, das abzuschaffen. Doch ausgerechnet Deutschland sperrte sich.
Neben ihm sitzt Roland Berger. Als der anmerkt, er sei ja der einzige wirkliche Fachmann in dem Arbeitskreis, zieht Stoiber Grimassen.
Die Opposition zeigt wenig Mitleid mit Stoiber. „Verzagen Sie nicht“, muntert Wolfgang Hoderlein (SPD) ihn auf. Das Ehrenamt könne er sich auch leisten. „Ihre Familien haben ja auch so noch was zum Essen.“
Angela Böhm
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