Steuersünder in Panik

Fachanwälte haben es mit einer Flut von Selbstbezichtigungen zu tun: Sie verarzten dicke Fische und alte Sünder. Und dann sind da noch die B.M.W-Fälle
Von Andreas Jalsovec
Der Terminkalender von Joachim Rieg ist prall gefüllt. „Wir vereinbaren täglich vier bis fünf Termine mit Mandanten, die eine steuerliche Selbstanzeige stellen wollen“, sagt der Münchner Rechtsanwalt: „Tendenz steigend.“ Seine Kanzlei Glaab und Rieg hat sich auf Fälle spezialisiert, in denen säumige Steuerzahler beim Fiskus beichten wollen. Vor zwei Wochen ging es los: „Da ist ist zum Teil schon Panik da.“
Was eine kleine CD alles bewirken kann. Seitdem klar ist, dass die deutschen Behörden die Silberscheiben mit den illegal beschafften Steuer-Datensätzen ankaufen wollen, geben sich bei spezialisierten Anwälten die Steuersünder die Klinke in die Hand.
Und auch die Finanzämter haben jede Menge zu tun. Alleine letzte Woche liefen in Bayern rund 270 Selbstanzeigen ein. Insgesamt sind es seit Beginn der CD-Affäre rund 300, bundesweit fast 900. „In unseren Finanzämtern stehen die Faxgeräte vor Selbstanzeigen nicht mehr still“, heißt es in der Hamburger Finanzbehörde. Mit Mehreinnahmen im dreistelligen Millionenbereich darf der Fiskus deshalb insgesamt rechnen.
Um wieviel Geld es bei den Selbstanzeigen in Bayern geht, will eine Sprecherin des Finanzministeriums nicht sagen. Klar ist aber: Unter den Reumütigen sind offenbar auch viele, bei denen die Steuerschuld in die Millionen geht. Solche „Großfälle“ machten einen Teil der Hinterziehungen aus, die jetzt in Selbstanzeigen münden, sagt Anwalt Rieg. „Da spielt natürlich die Angst vor einer Freiheitsstrafe eine große Rolle.“ Wer mit einer Steuerschuld von über einer Million erwischt wird, wandert ins Gefängnis.
Es seien aber längst nicht nur Millionäre, die sich jetzt meldeten, meint Rieg. „Im Prinzip trifft es fast alle Bevölkerungsgruppen.“ So seien oft Ältere darunter, die ihr Geld schon in den 90er Jahren nach Luxemburg oder in die Schweiz gebracht haben. Grund war die Einführung der Zinsabschlagssteuer. „Viele Banken haben damals dafür geworben, Geld ins steuerfreie Ausland zu schaffen“, meint Rieg. Viele dieser Altfälle hätten schon länger an eine Selbstanzeige gedacht. Die jetzige Diskussion gebe den letzten Anstoß.
Und dann ist da noch eine dritte Gruppe: „Die so genannten B.M.W.-Fälle“, sagt Rieg. Gemeint sind Berufsgruppen wie Bäcker, Metzger oder Wirte, in deren Geschäftsalltag häufig Bargeld fließt. Ein Teil davon wird abgezweigt, unversteuert ins Ausland gebracht und dort angelegt. Bei diesen Geldern greift der Fiskus besonders hart zu. Denn nicht nur die Erträge sind steuerpflichtig sondern auch das angelegte Geld selbst.
Im Bayerischen Landesamt für Steuern glaubt man, dass die Welle an Selbstanzeigen anhalten wird. „Wir gehen davon aus, dass da noch mehr kommt“, sagt Sprecher Alexander Ulbricht. „Viele Fälle laufen jetzt erst bei Anwälten und Steuerberatern ein. Danach landen sie dann bei uns.“