Steuer-Belastung der Mittelschicht: "Das ist indiskutabel"

Ab Dienstag (13. Juli) arbeiten die Menschen in Deutschland nicht mehr für den Staat, sondern für sich selbst. Es ist Steuerzahlergedenktag. Den hat sich der Bund der Steuerzahler (BDST) ausgedacht, um zu zeigen, wie viel Geld vom eigenen Einkommen an Staat, Sozialkassen und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abgeht.
Bund der Steuerzahler fordert umfassende Reform
Über ein halbes Jahr arbeiten Beschäftigte und Selbstständige, ehe aus brutto netto wird. In 2020 lag der Gedenktag auf dem 9. Juli, die Belastung der Steuerzahler ist also gestiegen - unter anderem durch die Einführung der CO2-Steuer und dem Auslaufen der Mehrwertsteuersenkung.

Der Bund der Steuerzahler hat aus diesem Anlass eine Reform des Einkommensteuertarifs mit Entlastungen gefordert. Präsident Reiner Holznagel sagte am Montag, die Mittelschicht in Deutschland sei durch die Einkommensteuer sehr hoch belastet. Es sei indiskutabel, dass selbst Durchschnittsverdiener knapp unter dem Spitzensteuersatz lägen.
Zweieinhalb Monate vor der Wahl blickt der BDST außerdem darauf, was die Parteien für das Land vorhaben, wie sie mit dem Geld umgehen wollen.
Die Sorge: Die Belastung könnte anziehen. Denn alle maßgeblichen Parteien wollen die Verwaltung moderner, die Pflege besser und den Klimaschutz konsequenter vorantreiben. Das alles kostet viel Geld. Eine Ausnahme bei der Bekämpfung der Erderwärmung ist die AfD, die nicht an den menschengemachten Klimawandel glaubt.
BDST fordert schnelle Rückkehr zu ausgeglichenen Haushalten
Wenn etwas teurer wird, dann stellt sich die Frage, woher das Geld dafür kommen soll. Grundsätzlich gibt es dafür drei Möglichkeiten - Steuern und Abgaben hochsetzen, mehr Schulden aufnehmen oder bei bestehenden Posten kürzen. Der Bund der Steuerzahler lehnt höhere Steuern ab und spricht sich für eine schnelle Rückkehr zu möglichst ausgeglichenen Staatshaushalten aus.
Wenn Altenpfleger und Schwestern mehr Geld bekommen sollen, hält Holznagel es für geboten, an anderer Stelle zu kürzen. "Wir sehen, dass sehr viel Sand im Getriebe ist. Wir haben das Problem, dass sich der Staat selbst im Weg steht", sagt der Steuerzahler-Präsident. Als Beispiele nennt er das Baufiasko am Berliner Flughafen, die überteuerte Beschaffung von Schutzmasken während der ersten Corona-Welle und die hohe Vergütung der Apotheker für die Impfzertifikate.
Holznagel: "Sämtliche Ministerien gehören nach Berlin"
Auf 20 bis 30 Milliarden Euro beziffert Holznagel das Einsparpotenzial, wie etwa durch die Schrumpfung des Bundestages auf 500 Abgeordnete und den Verzicht auf teure Regierungsberater. Konkret schlägt Holznagel etwa vor, den doppelten Regierungssitz Berlin und Bonn aufzugeben. Sämtliche Ministerien gehörten nach Berlin. Die Regierung müsse effizienter arbeiten.
SPD, Grüne und Linke wollen bei den Reichen stärker zugreifen
Im Angebot der Parteien findet Holznagel keines, das seine Forderungen vollumfänglich erfüllt. CDU und CSU wollen den Soli komplett abschaffen, mehr ausgeben, aber nicht sparen. Auch Holznagel forderte, den Soli abzuschaffen. Dem widerspricht DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Er sagt, dies wäre ein "Milliardengeschenk" an die Top-Verdiener und ein völlig falsches Signal in dieser Zeit.
Die SPD will kleinere und mittlere Einkommen entlasten und dafür bei den Reichen stärker zugreifen. Das Gleiche versprechen Grüne und Linke. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans positioniert seine Partei bewusst gegen die Empfehlung des BDST. "Wir sagen, dass für die Zukunft unseres Landes dringend massive Investitionen in Bildung, Digitalisierung und Infrastruktur nötig sind", sagte er der AZ.
Walter-Borjans: "Armin Laschet präsentiert Kraut und Rüben"
Und der einstige Finanzminister Nordrhein-Westfalens benennt auch, wo er es hernehmen will: "Aus Steuereinnahmen von denen, die sich seit Jahren in Steueroasen ganz vor Mitverantwortung drücken." Mehr bezahlen sollen auch die obersten fünf Prozent der Einkommenspyramide. Walter-Borjans nutzt die Gelegenheit, um Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) zu attackieren.
Der hatte angekündigt, dass es nicht die Zeit für Steuersenkungen sei, obwohl im Wahlprogramm die Streichung des Solis steht. "Armin Laschet präsentiert Kraut und Rüben. Von einem Konzept kann bei ihm keine Rede sein", meinte der SPD-Vorsitzende.