Steinmeier zu Gast bei Feinden
Die Mitglieder der Gewerkschaft "Erziehung und Wissenschaft" bereiteten Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier bei ihrem Gewerkschaftstag in Nürnberg einen frostigen Empfang
Als Kanzlerkandidat muss man auch zu seinen Gegnern. Wie sich das anfühlt, weiß jetzt auch Frank-Walter Steinmeier. Am Wochenende war er Gast des Gewerkschaftstags der linken "Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft" in Nürnberg. Schon beim Einzug in die Messehalle ahnt er, dass er in der nächsten Stunde nicht viel Spaß haben wird.
Die Lehrerinnen und Lehrer und Erzieher können sich nur zu einem müden Appläuschen bewegen. Steinmeier erträgt's mit einem angestrengten Grinsen. Als er ans Rednerpult schreitet, brüllt einer: "Wir brauchen keinen Steinmeier, wir brauchen Steinewerfer!" Der SPD-Kanzlerkandidat nimmt's lässig und brummt kühl: "Na, dann man zu."
Es gibt Buh-Rufe, einige verlassen den Saal
Steinmeier will gerade loslegen, da schreitet eine Horde zotteliger Pädagogen mit einem Transparent auf die Bühne: "Honorar kleiner gleich Hartz IV" steht drauf, der Außenminister tut so, als ob er die Rauschebärte ignoriert. Mühsam quält er sich durch seinen Redetext. Sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts will er als Kanzler für Bildung ausgeben, die Zahl der Schulabbrecher will er jährlich um zehn Prozent senken.
Sein Publikum ist nicht zu begeistern. Einige verlassen den Saal. Es gibt Buh-Rufe. "Schröder!" schallt es und "Agenda 2010". Steinmeier wird böse: "Wer kritisiert, dass wir zwei Millionen neue Jobs geschaffen haben, soll das klar sagen!"
Die Charme-Offensive bleibt erfolglos
Dann versucht er es mit einer Charme-Offensive: Schließlich komme er aus einem "Elternhaus ohne Klavier und Bibliothek" und wisse deshalb die Verdienste der Gewerkschaften für Bildungsgerechtigkeit zu schätzen. "Meine Tochter ist 13. Da schaut man beim Thema Bildung schon genauer hin."
Doch der Funke will nicht überspringen. GEW-Chef Ulrich Thöne bedankt sich zwar beim "lieben Frank-Walter", dann schmettert er ihm aber hinterher, er solle die "Politik der verordneten Verarmung" schleunigst beenden. Da kommt zum ersten Mal Jubel bei den Lehrern auf. Jubel wird es sicher auch am Dienstag geben: Dann kommt Oskar Lafontaine.
Volker ter Haseborg