Steinmeier unter Beschuss: Was wusste er vom Irak?

BERLIN - 2003 sagte die Regierung Schröder Nein zum Irak-Krieg. Im Untersuchungsausschuss will die Opposition Rot-Grün Wortbruch nachweisen - und zeigen, dass Informationen mit Wissen des Außenministers an die USA weitergegeben wurden.
Nach Überzeugung der Opposition hat die rot-grüne Bundesregierung die USA trotz gegenteiliger Beteuerungen im Irak- Krieg 2003 unterstützt. Zwei mit Wissen des Kanzleramtes in Bagdad eingesetzte Agenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) hätten „kriegsrelevante Daten“ an die BND-Zentrale in Pullach geleitet, die von dort aus an das US-Hauptquartier in Katar gegangen seien.
Gestern vernahm der BND-Untersuchungsausschuss des Bundestags beide Agenten in geheimer Sitzung. Besonders pikant an den Vorwürfen: Die Weitergabe der Informationen an das US-Militär soll im Einverständnis mit den Kanzleramt geschehen sein. Dessen damaliger Chef war der heutige Außenminister und SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier.
„Die Behauptung der rot-grünen Regierung, sie habe nichts mit dem Irak-Krieg zu tun gehabt, kann damit nicht aufrecht erhalten werden“, startete FDP-Obmann Max Stadler gestern einen Frontalangriff auf Steinmeier. Laut Norman Paech von der Linkspartei haben die Agenten 150 Meldungen an die BND-Zentrale gesendet. Sie enthielten nur Informationen über militärisch bedeutsame Ziele. SPD-Obmann Michael Hartmann verteidigte die damalige Regierung: „Es ist gut, richtig und notwendig gewesen, dass Deutschland während des Krieges eigenes Personal in Bagdad gehabt hat.“
Rückblende: Bagdad im April 2003. Die beiden BND-Agenten wissen, dass der US-Angriff bald erfolgen wird. Die Geheimdienstler sollen Informationen zur aktuellen Lage in Bagdad sammeln. US-Geheimdienste haben alle eigenen Leute abgezogen und sind auf Nachrichten von Verbündeten angewiesen. Das US-Militär bestätigte, deutsche Informationen bei der Vorbereitung zur Eroberung Bagdads verwendet zu haben.
Brach die Regierung damit ihr Anti-Kriegs-Versprechen? Für den heutigen Chefdiplomaten Frank-Walter Steinmeier eine unangenehme Angelegenheit. Als Chef des Kanzleramts hatte er 2003 auch die Aufsicht über den BND.
„Die Befragung zweier BND-Agenten reicht nicht aus, um die Rolle der früheren Bundesregierung im Irak-Krieg aufzuklären“, kündigte FDP-Obmann Stadler weitere Vernehmungen an. Verantwortliche der BND-Zentrale müssten dringend danach gefragt werden, wie es um die Aufsicht durch das Bundeskanzleramt bestellt gewesen sei. „Und damit sind wir bei der Rolle des damaligen Kanzleramtschefs Frank-Walter Steinmeier,“ fügte Stadler an.
Steinmeier lässt bislang alle Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit an sich abprallen: „Die Öffentlichkeit wird sich nicht vormachen lassen, dass bei mehr als 100000 US-Soldaten im Irak zwei BND-Mitarbeiter ausreichten, um Deutschland zur Kriegspartei zu machen.“ Der Außenminister soll im November erneut vor dem Untersuchungsausschuss aussagen. Es wird dort bereits sein fünfter Auftritt sein.
Marius Thies