Standard & Poor's: Die Brandbeschleuniger
Berlin - Sie haben die Finanzkrise 2008 maßgeblich mit ausgelöst, aktuell gießen sie in der Euro-Krise reichlich Öl ins Feuer – und jetzt ziehen die Ratingagenturen mit ihrem Paukenschlag gegen gleich 15 Euro-Staaten neue Wut auf sich.
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Die Macht der drei großen Agenturen Moody’s, Standard & Poor und Fitch wird vielen immer unheimlicher. Alle Versuche, sie an die Kandare zu nehmen, sind bisher gescheitert.
Die AZ erklärt die wichtigsten Fragen:
Wie groß ist ihr Einfluss?
Ein Beispiel demonstriert, welche Wucht ihre Signale entwickeln. Im November schrieb das „Wall Street Journal“, wenn die Euro-Krise nicht bald eingedämmt sei, könnten auch die US-Banken in Mitleidenschaft gezogen werden. Nichts passierte. Zwei Tage später äußerte sich Fitch, die kleinste der drei großen Agenturen, ähnlich. Nicht mal per Abwertung, nur mit einem Sätzchen im täglichen Lagebericht. Es folgte ein Schlachtfest an den Börsen, die Kurse der Banken brachen ein, mit einem Schlag verpufften Milliarden an Wert. Dazu kommt generell, dass viele Fonds und Versicherungen
Welchen Schaden können sie anrichten?
In der Finanzkrise 2008 war es die Hochjubelei von Ramschpapieren, namentlich Finanz-Produkten zu US-Immobilien-Schulden. Sie erhielten Bestnoten: Als kommerzielle Firmen lassen sich die Agenturen von den Firmen bezahlen, deren Produkte sie bewerten – einer der größten Kritikpunkte. So verbreiteten sich die toxischen Papiere massiv und konnten ihre Sprengkraft erst richtig entfalten. Diesmal ist es umgekehrt: Das Runterstufen und Abwerten von Ländern setzt eine Abwärtsspirale oft erst in Gang.
Wie kommt es zu dem Teufelskreis?
Wenn das Rating eines Landes sinkt, wird es für diesen Staat teurer, sich Geld zu leihen. Die Aussichten verdüstern sich, das lässt das Rating erneut sinken – und immer so fort. Die wegen des Rating-Urteils steigende Zinslast frisst häufig, wie etwa im Fall Griechenland, selbst ehrgeizige Einsparungen gleich wieder auf. Was es noch verschlimmert: Spart ein Land dann tatsächlich, um sich zu sanieren, kann auch das seine Ratings verschlechtern – weil der Sparkurs das Wachstum abwürge.
Was sagen die Ratingagenturen selbst?
Sie seien ja nur die Boten der Nachrichten, ist ihr Motto. In der Tat wiesen gestern auch einige Experten darauf hin, dass die Drohung gegen die EU-Staaten angesichts des politischen Leerlaufs so unberechtigt nicht sei. Aber: Nicht immer stimmen die Nachrichten auch – mehrere Staaten und Firmen (etwa Island) wurden noch kurz vor dem Bankrott mit Bestnoten bewertet. Legendär war die Mail eines Agenturangestellten, die nach der Finanzkrise 2008 bekannt wurde: Man könnte auch „Kühe die Produkte bewerten lassen“. Und: Die Agenturen sind eben nicht immer neutral. Sie sind erstens schon mal Kunden ihrer zahlenden Auftraggeber – und sie sind zweitens Amerikaner.
Spielt die Nationalität eine Rolle?
Immer mehr Europäer beantworten diese Frage mit Ja. Kommissionspräsident Barroso sagt, er habe den Verdacht, dass die drei US-Agenturen EU-Länder nicht objektiv bewerten und das eigene, stärker verschuldete Land dafür schonen. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle: „Ich glaube nicht an Verschwörungstheorien, aber es fällt schwer, den Eindruck zu widerlegen, dass amerikanische Agenturen gegen die Euro-Zone arbeiten.“ Der Ökonom Max Otte sprach gestern von einem „Währungskrieg“. Die USA seien darauf angewiesen, dass der Dollar die Leitwährung bleibt – und diese Rolle habe in den letzten Jahren schon genug gelitten. „Das ist politisch motiviert.“ Standard & Poors hatte im August auch die Note der USA runtergesetzt, darauf war der Chef gefeuert worden. Die neue Führung zeige nun „vorauseilenden Gehorsam“, so Otte.