Staatsanwalt in Staatskanzlei

Edmund Stoiber im Visier: Es geht um die Aufarbeitung des Milliardendebakels der BayernLB. Ermittler holen Akten – Ex-Ministerpräsident wusste früh vom Desaster um HGAA.
MÜNCHEN Jetzt gerät auch der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber ins Visier der Staatsanwälte. Während seiner Amtszeit soll er zweimal wegen des maroden Zustands vor der österreichischen Pleitebank Hypo Group Alpe Adria (HGAA) gewarnt worden sein. Das geht aus Aktenvermerken in der Staatskanzlei hervor. Stoiber hätte das Schlimmste verhindern können, wenn er die Warnungen nicht ignoriert hätte. So hat Bayern 3,7 Milliarden Euro in den Sand gesetzt.
Gestern um 9.30 Uhr marschierten zwei Ermittler in die Staatskanzlei und holten die Akten des Ex-Regierungschefs ab. Im Südflügel der Regierungszentrale, in der zuständigen Organisationseinheit „Gesetzgebung und Recht“, waren die Ordner gelagert. Im Rahmen der „Amtshilfe“ bat die Staatsanwaltschaft MünchenI, die in Sachen BayernLB ermittelt, schon morgens per Anruf um ihre Herausgabe.
Ausgelöst hatte die Aktion ein Bericht der „Süddeutschen Zeitung“. Danach hat Stoiber offenbar frühzeitig von dem katastrophalen Zustand der Ösi-Bank gewusst. Im Juni 2007 hatte das Bayerische Finanzministerium eine erste Warnung in die Regierungszentrale geschickt.
Am 22. Mai 2007 hatte die BayernLB den Kaufvertrag mit der HGAA abgeschlossen. Damals jubelte Stoiber noch und verkaufte es als politischen Erfolg. Drei Tage danach legte die Österreichische Nationalbank einen verheerenden Prüfbericht zur HGAA vor. Sie unterstellten ihr sogar Geldwäsche und rügten die lasche Kontrolle bei der Kreditvergabe. Als der geheime Bericht öffentlich wurde, machten sich Stoibers Mitarbeiter Sorgen. Sie erkundigten sich im Finanzministerium und bekamen zur Antwort, dass dieser Sachverhalt beim Kauf der HGAA nicht bekannt gewesen sei. Stoibers Mitarbeiter schlugen Alarm und warnten ihren Chef. Einen Monat später dann die zweite Warnung. Stoibers Zuarbeiter bezeichneten den Prüfbericht in einem Aktenvermerk als „Problemfeld“.
Stoiber stoppte den Kauf der HGAA dennoch nicht. Im Gegenteil: Er wollte die Bank, die auch Tochterunternehmen in Kroatien hatte, auf Biegen und Brechen haben. Er schaltete sich sogar persönlich ein, als Kroatien die Übernahme der HGAA nicht genehmigen wollte und machte daraus fast eine Staatsaffäre: Das belaste die Beziehungen, drohte er der dortigen Regierung.
Jetzt will sich Stoiber an nichts mehr erinnern. Ausgerechnet er, der Aktenfresser, der alles zur Chefsache machte und alleine entscheiden wollte. Wenn es dann jedoch um die Verantwortung dafür ging, hatte Stoiber immer alles aus seinem Gedächtnis verbannt. „Das ist mir nicht mehr erinnerlich“, redete er sich dann heraus. So war es schon beim Untersuchungsausschuss um Monika Hohlmeier und auch bei der Parteispenden- und Schmiergeld-Affäre um Karlheinz Schreiber. Angela Böhm