Spirale der Gewalt in Nahost dreht sich weiter
Im Nahen Osten dreht sich die Spirale der Gewalt weiter: Auch am siebten Tag nach der blutigen Eskalation des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern ist keine rasche Einigung auf eine Waffenruhe in Sicht.
Gaza/Jerusalem - In der Nacht zum Dienstag griffen israelische Flugzeuge erneut Ziele im Gazastreifen an, während aus dem Palästinensergebiet wieder Raketen auf Israel abgefeuert wurden. Die diplomatischen Bemühungen um eine Beendigung des Blutvergießens laufen unterdessen auf Hochtouren. Russland kritisierte indirekt die USA, eine Reaktion des Weltsicherheitsrats zu dem Konflikt zu verhindern.
Die Regierung in Washington verlegte drei Kriegsschiffe ins östliche Mittelmeer, um notfalls US-Bürger aus dem Krisengebiet in Sicherheit bringen zu können. Es handle sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme, meldete der US-Sender CNN.
Nach einem Bericht der "Berliner Morgenpost" (Dienstag) begann der Siemens-Konzern am Montag damit, in Israel eingesetzte deutsche Mitarbeiter außer Landes zu bringen. 35 der insgesamt 70 Kollegen würden auf eigenen Wunsch nach Deutschland ausgeflogen, sagte ein Siemens-Sprecher dem Blatt.
Nach palästinensischen Angaben griffen israelische Kampfflugzeuge in der Nacht zum Dienstag unter anderem das Gebäude einer Bank in Gaza-Stadt an, über die die in dem Palästinensergebiet herrschende radikalislamische Hamas ihre Gehaltszahlungen abwickelt. Mehrere Verletzte seien anschließend in Krankenhäuser gebracht worden, meldete die Nachrichtenagentur Maan. Auch ein Regierungsgebäude und das Haus eines Milizenführers seien angegriffen worden, hieß es. Angriffe wurden auch aus Chan Junis im Süden und Beit Hanun sowie Beit Lahia im Norden des Gazastreifens gemeldet.
Nach Berichten der israelischen Nachrichtenwebsite Ynet wurden allein am Montag insgesamt 135 Raketen aus dem Gazastreifen abgefeuert, von denen 67 auf israelischem Gebiet eingeschlagen seien. 42 weitere seien abgefangen und in der Luft zerstört worden. In der Nacht zum Dienstag schlug Ynet zufolge ein Geschoss in der Ortschaft Ofakim ein. In mehreren israelischen Ortschaften wurde Luftalarm gegeben. Berichte über Opfer oder Schäden gab es zunächst nicht.
Seit Beginn des blutigen Schlagabtauschs am vergangenen Mittwoch wurden nach Angaben des Hamas-Gesundheitsministeriums mindestens 107 Palästinenser getötet. Mehr als 800 weitere seien verletzt worden. Etwa die Hälfte der Getöten seien Zivilisten, unter den Verletzten 200 Kinder. Auch drei Israelis starben.
US-Präsident Barack Obama sprach am Montag am Telefon erneut mit dem ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi sowie mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu über die Eskalation der Gewalt. Dabei habe er betont, dass der Raketenbeschuss Israels beendet werden müsse, teilte das Weiße Haus mit.
Zuvor war UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in Kairo eingetroffen, wo die Konfliktparteien unter ägyptischer Vermittlung über die Bedingungen für eine Einstellung der gegenseitigen Angriffe verhandeln. Nach einem Treffen mit Ban zeigte sich der ägyptische Außenminister Mohamed Amr zuversichtlich, in den "kommenden Tagen" Resultate vorweisen zu können.
Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle mahnte nach einem Treffen mit seinem israelischen Kollegen Avigdor Lieberman am Montagabend in Jerusalem ein baldiges Ende der gegenseitigen Angriffe an. "Entscheidend ist, dass wir nichts unversucht lassen, einen Waffenstillstand zu ermöglichen", sagte er. Dabei sei besonders wichtig, mit Ägypten im Gespräch zu bleiben. "Es ist ganz wichtig, dass Ägypten eine konstruktive Rolle einnimmt." Am Dienstag wollte Westerwelle mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zusammentreffen.
Abbas' Berater Abdallah Frangi kritisierte die Haltung der Bundesregierung in dem Konflikt als "oberflächlich und einseitig". Deutschland habe seine Chance verloren, zwischen Israelis und Palästinensern zu vermitteln, sagte er der "Rheinischen Post" (Dienstag). Das gelte auch für Westerwelle. "Wenn man so einseitig pro-israelisch handelt, bleibt der Einfluss gering", betonte Frangi.
Netanjahu versammelte am Montagabend seine engsten Minister um sich, um über den Fortgang der Militäroperation im Gazastreifen und eine mögliche Bodenoffensive zu beraten. Nach Angaben des israelischen Rundfunks sind bereits etwa 40 000 Reservisten einberufen worden.
In New York kam der UN-Sicherheitsrat erneut zu Beratungen zusammen. Der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin warf Washington anschließend indirekt vor, eine Reaktion auf die Krise zum Schutze Israels zu blockieren. "Ein Mitglied des Sicherheitsrats - ich bin mir sicher, Sie können erraten, um welches es sich handelt - hat sehr offen angedeutet, dass es nicht bereit ist, irgendeine Reaktion des Sicherheitsrats mitzutragen", sagte Tschurkin. Auf die Frage, ob es sich dabei um die USA handele, sagte er: "Ich möchte Ihre Frage lieber nicht direkt beantworten. Aber ihre Vermutung basiert auf Expertenwissen über die Vorgänge im Sicherheitsrat in Hinblick auf dieses Thema."