SPD-Wahlkampf: Frohlocken in der Nordkurve

Weil die Union in der Krise und Angela Merkel parteiintern umstritten ist, hat die SPD derzeit plötzlich Oberwasser. Ein Besuch in der "Nordkurve" des Willy-Brandt-Hauses, wo Münteferings Wahlkampftruppen bereits emsig am Projekt "Steinmeier muss Kanzler werden" werkeln
von  Abendzeitung
Der Chef und sein Kandidat: Franz Müntefering (r.) und Frank-Walter Steinmeier.
Der Chef und sein Kandidat: Franz Müntefering (r.) und Frank-Walter Steinmeier. © dpa

BERLIN - Weil die Union in der Krise und Bundeskanzlerin Angela Merkel parteiintern umstritten ist, hat die SPD derzeit plötzlich Oberwasser. Ein Besuch in der "Nordkurve" des Willy-Brandt-Hauses, wo Münteferings Wahlkampftruppen bereits emsig am Projekt "Steinmeier muss Kanzler werden" werkeln

Kaum zu glauben, aber wahr: Die SPD verspürt wieder Oberwasser. Das Unions-interne Gezeter um den richtigen Kurs in der Krise und die Führungsstärke von Bundeskanzlerin Angela Merkel führt im Willy-Brandt-Haus ebenso zu Frohlocken wie die jüngsten Umfragewerte, die sich langsam denen der Union annähern – wenngleich auf niedrigem Niveau.

Überhaupt wirkt die rote Trutzburg in der Berliner Wilhelmstraße wie ausgewechselt. Vor einem Jahr noch herrschte auf den Fluren eine bizarre Ruhe, der damalige Boss Kurt Beck mied sein Büro wenn irgend möglich. Unter der Knute des strengen Franz Müntefering hat sich das geändert. Die „Nordkurve“, so nennen die Sozis ihre Wahlkampfzentrale, hirnt längst auf Hochtouren: In Großraumbüros, die auf zwei Etagen verteilt sind, basteln 80 Mitarbeiter an der Kampagne für das Superwahljahr. Dirigent des kreativen Gewusels ist Bundesgeschäftsführer Kajo Wasserhövel, die rechte Hand Müntes (siehe Interview). Hinter seinem Schreibtisch schreit ein Plakat selbstbewusst: „Wir stehen für einen erfolgreichen Wahlkampf. Aber wofür stehen die anderen?“

Wasserhövel, der dieselbe Vorliebe für schnörkellose Ansagen hat wie sein Chef, hat sich einem Ziel verschrieben: „Dass am 27.September Frank-Walter Steinmeier Kanzler wird.“ Ob mit Rot-Grün, Ampel oder großer Koalition ist erst mal sekundär. Nur nicht mit den Linken. Damit das klappt, hacken die Genossen derzeit flügelübergreifend auf Merkel herum. Tenor: Die Kanzlerin kann es nicht. „Frau Merkel ist eine Wolke, ist nicht richtig fassbar“, lästert Wasserhövel. „Die Menschen erwarten schon von einer Kanzlerin, dass sie einen klaren Kurs und Kompass hat.“

Den wiederum reklamiert der Kanzlerkandidat für sich. Die SPD Steinmeiers, Münteferings und Steinbrücks, das zeichnet sich in diesen Tagen klar ab, will die Finanz- und Wirtschaftskrise für ihre Kampagne ausschlachten, wie Schröder das mit Oderflut und Irak-Krieg vorgemacht hat. Die Wahlkampf-Inszenierung der Genossen sieht so aus: Während die Union orientierungslos durch die Krise stolpert, gibt Steinmeier den Sozial-Kümmerer, der den Opelianern in Rüsselsheim Mut macht, die Gier der Manager anprangert und die soziale Gerechtigkeit predigt.

Ob das die Bürger dem Vizekanzler abnehmen, steht auf einem anderen Blatt.

M. Jox

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