SPD-Vizechefin Schwesig: "Tagtäglich lächerlich"

Manuela Schwesig über Horst Seehofer, Bayern, das Betreuungsgeld – und ihre persönlichen Erfahrungen als Mutter mit der Kita: die SPD-Vize-Chefin im AZ-Interview
von  AZ
Blond, jung, rot: Manuela Schwesig (38), Vize-Vorsitzende der Bundes-SPD und Ministerin in Mecklenburg-Vorpommern, im Gespräch. Die SPD-Frau (Mitte) zu Gast am zentralen Tisch der AZ-Redaktion.
Blond, jung, rot: Manuela Schwesig (38), Vize-Vorsitzende der Bundes-SPD und Ministerin in Mecklenburg-Vorpommern, im Gespräch. Die SPD-Frau (Mitte) zu Gast am zentralen Tisch der AZ-Redaktion. © Gregor Feindt

AZ-Interview mit Manuela Schwesig: 

AZ: Willkommen in Bayern: dem Land, das für die SPD ja lange ein Tal der Tränen war.

MANUELA SCHWESIG: Ich empfinde das nicht als Tal der Tränen, im Gegenteil, die SPD schaut nächstes Jahr mit großen Erwartungen auf Bayern. Wir glauben fest daran, dass eine bessere Politik möglich ist; jetzt mit Christian Ude. Deswegen bin ich hier, um ihn und die bayerische SPD zu unterstützen.

Sind Sie das erste Mal in Bayern?

Nein. Ich bin oft und gerne hier. Ich war am Anfang skeptisch, weil ich dachte, na, wie wird so ein Nordlicht wie ich hier in Bayern angenommen. Aber erstens ist es total schön hier und zweitens sind die Leute viel entspannter, als ich dachte. Die kommen nicht so rückwärtsgewandt und verbiestert rüber wie die Politiker der CSU, die man in Berlin trifft. Seehofer und Dobrindt sind immer so verspannt.

Locker waren die Bayern schon immer, aber bisher haben sie immer CSU gewählt.

Das muss aber nicht so bleiben. Herr Seehofer hat ja selbst schon über seine Oppositionsrolle spekuliert. Wir wollen unsere Chance nutzen, mit Christian Ude den Ministerpräsidenten stellen und dann eine sozial gerechte und ökologische Politik machen. Bayern ist wirtschaftlich stark, aber: In keinem anderen Land geht die Schere zwischen Arm und Reich so auseinander wie in Bayern. Gerade hier haben arme Kinder schlechte Zukunftschancen. Wir wollen diese soziale Spaltung überwinden.

Hätte die SPD mit mehr jungen Frauen an der Spitze bessere Chancen?

Die bayerische SPD hat mit ihrem Führungstrio Markus Rinderspacher, Florian Pronold und Natascha Kohnen ein sehr junges, engagiertes und eloquentes Team. Dass jetzt ein erfahrener Staatsmann wie Christian Ude dazu kommt, das ist richtig gut. Dagegen hat Horst Seehofer bewiesen: Er handelt unseriös und unglaubwürdig. Er ist eben nicht die starke Stimme Bayerns in Berlin, sondern er macht sich fast tagtäglich lächerlich. Nach dem Motto „Täglich grüßt das Murmeltier“, ich lass' die Koalition platzen, wenn... Alle hoffen eigentlich, dass er’s endlich tut. Aber er macht es ja doch nicht.

Wird Seehofer in Berlin noch ernst genommen?

Nein. Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Angst vor seiner Unberechenbarkeit, aber sie nimmt ihn nicht ernst.

Seehofers großes Projekt ist das Betreuungsgeld. Für wie realistisch halten Sie, dass es tatsächlich kommt?

Das ist offen. Natürlich wird Horst Seehofer versuchen, es mit aller Macht durchzusetzen. Ihm geht es in dieser Debatte weder um die Kinder noch um die Familien, sondern darum, Macht zu beweisen. Allerdings hat er schon bei der Einbringung des Gesetzentwurfs in den Bundestag eine Pleite erlebt. Wir setzen darauf, das Geld in den Kita-Ausbau zu investieren. Spätestens unter einer SPD-geführten Bundesregierung.

Wird das ein großes Thema nächstes Jahr im Wahlkampf?

Ja, moderne Familienpolitik wird eines der bestimmenden Themen. Anders als die CSU wollen wir den Menschen nicht vorschreiben, wie sie zu leben haben. Wir wollen, dass junge Menschen, die einen Kinderwunsch haben, sich diesen erfüllen können. Das beginnt mit Existenz sichernder Arbeit. Das größte ungewollte Verhütungsinstrument ist der befristete Arbeitsvertrag. Die Arbeitswelt muss familienfreundlicher werden, nicht die Familien immer arbeitsfreundlicher. Und ich find’s ein Unding, dass CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder jetzt das Elterngeld infrage stellt, weil er es als Gebärprämie sieht. So war es nie gedacht.

Manche Eltern machen mit dem Geld eine Weltreise.

Also aus meiner Erfahrung – mein Sohn ist 2007 auf die Welt gekommen – denkt man nach der Geburt des eigenen Kindes an alles mögliche, aber nicht an eine Weltreise.

Hat Ihr Mann damals auch Elternzeit genommen?

Ja, zwei Monate. Das ist damals in seiner Firma auch noch skeptisch beäugt worden. Das hat sich inzwischen geändert, aber selbstverständlich ist es nicht.

Entscheiden sich die Menschen wirklich wegen Geld für ein Kind?

Nein. Darum geht es uns auch nicht. Wir wollen, dass Eltern Zeit für ihre Kinder haben und unterstützen Mütter und Väter deshalb mit dem Elterngeld. An die Elternzeit soll sich dann ein gutes Kita-Angebot anschließen. Dafür brauchen wir jeden Euro. Das Betreuungsgeld dagegen verbietet Kindern den Kitabesuch. Mit diesem Geld könnten wir aber in Bayern 18.000 zusätzliche Plätze schaffen.

Ist ihr Kind auch in einer Kita?

Ja. Mein Sohn geht in den Kindergarten. Vorher war er in einer Krippe. Mein Mann und ich sehen eine gute Kita nicht als Gegensatz, sondern als wertvolle Ergänzung zu unserer Erziehungsarbeit. Erziehung findet ja nicht nur von 8 bis 16 Uhr statt. Die Erzieherin ist eine wichtige Partnerin für uns. Wenn ich mal bei etwas unsicher war, hab ich das mit ihr beredet – sie hat Erfahrung und kennt meinen Sohn auch sehr gut. Das ist ein guter Mix, und es ist eben nicht das Schreckgespenst, was die CSU malt, dass wir unsere Kinder an den Staat weggeben sollen.

In München fehlen nicht nur Betreuungsplätze, sondern auch Erzieherinnen. Was halten Sie von der aktuell diskutierten Idee, Hartz-IV-Empfänger umzuschulen?

Das ist ambivalent. Es braucht eine generelle Fachkräfte-Offensive. Das hat die Bundesregierung bisher ignoriert. Es ist nicht das große Problem, Kitas zu bauen; sondern sie mit Erzieherinnen auszustatten und sie auch dauerhaft gut zu bezahlen. Ich würde Arbeitslose für die Gewinnung von Fachkräften nicht ausschließen. Frau von der Leyen darf sich darauf aber auch nicht beschränken. Entscheidend ist nicht der Status, sondern die Qualifikation und persönliche Eignung. Vor allem aber kann die Fachkräfte-Offensive nur gelingen, wenn wir diesen Beruf besser bezahlen. Erst dann finden wir auch Männer dafür.

Sie gelten mittlerweile als eine Art Wunderwaffe der SPD. Wie lebt es sich mit so einem Image?

Ich fühl’ mich gar nicht als Waffe – und werde zum Glück auch nicht so behandelt. Ich kämpfe aber mit fast allen Waffen für Kinder und Familien (lacht).

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